Samstag, September 22, 2007

A Tale of Two Kingdoms / Sam & Max: Season One

Hach, Adventures. Eins meiner Lieblingsgenres, schon seit ich computerspiele. Aber ich muss zugeben, in letzter Zeit habe ich mich häufig gefragt, ob das noch immer so ist. Ich meine, dass ich an Adventures das Erforschen, die Storys, die Charaktere und den Humor (Adventures sind schließlich das Comedy-Genre) genieße ist klar, aber das Gameplay eines Adventures besteht ja eigentlich aus Rätseln. Oftmals hirnrissigen Rätseln, die ich in einer vorgegebenen Reihenfolge auf eine vorgegebene, hirnrissige Art lösen muss.

An Grim Fandango beispielsweise liebe ich fast alles. Setting, Story, Charaktere, Dialoge - grandios. Aber die Rätsel? Größtenteils einfach nervig. Und niemand braucht mir kommen mit "Wenn dich nur die Geschichte, Charaktere, Dialoge und so'n Zeug interessieren, dann schau dir doch 'nen Film an, Noob!" Genauso könnte ich argumentieren: Wenn euch nur das Rätseln und "die Herausforderung" interessieren, dann kauft euch doch einen Scheiß-Rubikwürfel.

Im Sommer habe ich zwei in der jüngeren Vergangenheit erschienene Adventures gespielt - beide im weitesten Sinne aus der Independent-Szene -, die mich daran erinnert haben, warum ich diese Art von Spielen liebe. Vom Prinzip her grundverschieden zeigen sie zwei sehr unterschiedliche Arten, wie man es richtig machen kann.

Nummer Eins ist das AGS-Spiel A Tale of Two Kingdoms (Freeware und hier zu finden). Ich hatte keine großen Erwartungen, aber die wirklich professionell gemachten AGS-Titel interessieren mich grundsätzlich. Der erste Versuch, in das Spiel hineinzufinden, scheiterte. Es beginnt mit einem elend langen, scrollenden Intro-Text, der ein derartig uninteressantes und klischeehaftes Fantasy-Setting vorstellt, dass man es nur schleunigst hinter sich lassen will. Nach der Lektüre des ein oder anderen interessanten Reviews, versuchte ich es schließlich noch einmal, kämpfte mich durch - und wurde mit einem wirklich außergewöhnlichen Adventure belohnt.


Das Faszinierende daran ist: Das, was A Tale of Two Kingdoms so großartig und einzigartig macht, ist weder die Story noch die Charaktere. Das ist zwar alles ganz nett, richtig toll ist aber das Gameplay, sprich Rästeldesign. Es ist den Entwicklern nämlich gelungen, die Offenheit eines Sierra-Titels wie King's Quest mit der Benutzerfreundlichkeit eines LucasArts-Adventures wie Monkey Island zu verbinden. Anders ausgedrückt, man hat die größtmögliche Handlungsfreiheit, aber trotzdem kein einziges Dead End. Für beinahe jedes Problem gibt es mehrere Lösungen, mitunter bis zu fünf verschiedene. Dazu kommt eine Unzahl an Subquests und Geheimnissen. Und macht man einen Fehler, kann man das Spiel in jedem Fall trotzdem gewinnen - die Spielwelt verändert sich eben durch die gesetzten Handlungen, und womöglich sieht man eine andere der insgesamt fünf Endsequenzen. A Tale of Two Kingdoms ist also quasi das Deus Ex unter den Adventures (mit dem Unterschied, dass Grafik und Musik absolut wundervoll sind). Der zweite große Pluspunkt am Rätseldesign ist, dass die Lösungen stets nachvollziehbar und logisch sind. Wann immer ich einen Blick in den Walkthrough werfen musste, war meine Reaktion auf die gesuchte Antwort ein "Natürlich, ist doch klar! *andenkopfschlag*". Und genauso sollte es bei gutem Rätseldesign sein.

Das zweite Spiel, das mir den Spaß an Adventures zurückgebracht hat, ist Sam & Max: Season One. Gott, wie sehr mich das nervt, wenn irgendwelche GameStar-Redakteure schon wieder behaupten, mit diesem oder jenem Adventure sei jetzt endgültig die LucasArts-Qualität wiedererreicht worden. Aber hier bin ich geneigt, diese Behauptung selbst aufzustellen. Zum einen: Ich glaube, ein derartig witziges Spiel hat es nicht mehr gegeben seit, uhm... Sam & Max Hit the Road? Ich bin kein Mensch, der bei Filmen besonders oft laut lacht, geschweige denn bei Computerspielen. Aber Season One hat mich mehr als einmal erwischt. Ich spreche wohlgemerkt von der englischsprachigen Originalfassung - die deutsche Lokalisation ist leider nicht so toll geworden, wie JoWood uns versprochen hatte.


Auch bei Sam & Max: Season One hat mich das Rätseldesign begeistert. Zuallererst einmal ist der Schwierigkeitsgrad angenehm niedrig. Viele Leute haben sich darüber beschwert, für mich hingegen ist das, wie schon zuletzt erwähnt, in der Regel ein Pluspunkt. Aber das Wichtigste ist, dass mich die Rätsel immer wieder durch ihre Originalität, ihren Einfallsreichtum und ihren hohen Spaßfaktor beeindruckt haben. Ja, genau die Rätsel haben mir Spaß gemacht! Einer Psychotherapeutin eine interaktive Traumsequenz so darzustellen, dass sie einen für verrückt erklärt oder vor laufender Kamera eine Sitcom zu improvisieren ist eben mal etwas anderes, als das übliche Items-kombinieren und Leuten-vermisste-Gegenstände-zurückbringen.

Noch dazu hilft das Episodenformat wirklich, eine emotionale Beziehung zu den zahlreichen herrlich exzentrischen bis geistesgestörten Figuren aufzubauen, da man in jeder Folge gewissermaßen das Gefühl hat, alte Bekannte wiederzutreffen und neue Seiten an ihnen kennenzulernen. Über die manchmal kritisierte Kürze und den Recyclinganteil der Episoden kann ich wohl nicht wirklich objektiv richten, da ich mir die gesamte Staffel auf einmal gekauft habe, und so das Gefühl nicht kenne, ein Monat auf das nächste Häppchen warten zu müssen. So ganz kann ich das Gejammere aber nicht verstehen. Und um nochmal auf die GameStar zu schimpfen: Einfach nur bescheuert finde ich es, wenn man eine Episode in seinem blöden, unflexiblen Wertungskasten haargenau so bewertet wie ein normales Spiel ("Umfang 3/10 - nur ein Episoden-Häppchen"). So viel Ignoranz und Dummheit kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen.

Nebenbei finde ich es toll, was das Entwicklerteam Telltale so alles bietet. Unter anderem kann man sich auf deren Website zu jeder einzelnen Folge drei verschiedene Audiokommentare anhören (umsonst und ohne Registrierung), genauso wie 18 Stücke aus dem grandiosen Soundtrack. Oder Steve Purcells neuen, Eisner Award-gekrönten Sam & Max-Webcomic lesen.

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