Freitag, März 30, 2007

Nine Inch Nails @ Gasometer


Gestern und heute spielen Trent Reznor und seine Mannen im Wiener Gasometer. Darauf habe ich lange gewartet, mich aber trotzdem in aller Bescheidenheit auf die gestrige Show beschränkt. Als Fan des raffinierten Industrial Rocks der Nine Inch Nails war ich die letzten Tage vor dem Auftritt ganz schön euphorisch. Konnten meine immensen Erwartungen erfüllt werden? Lesen Sie selbst.

Die Vorband war Ladytron aus Liverpool, eine Elektro-Pop-Formation mit zwei Frontfrauen, die ein beachtliches Maß an Erotik versprühten. Die Songs waren okay bis gut, und im Hintergrund lief auf einer Leinwand Dario Argentos Horrorklassiker Suspiria, den ich jetzt definitv endlich mal sehen muss. Ich glaube, der müsste sich sogar auf einer meiner Videokassetten befinden. Mal schauen...

Man mochte übrigens meinen, dass sich Reznors Perfektionismus direkt auf den Ablauf der Show ausgewirkt hat: Einlass pünktlich, Vorband pünktlich, Beginn pünktlich, absolut geradlinige Show, kein Gequatsche zwischen den Songs, pünktliches Ende, keine Zugaben. Echt angenehm.

Was weniger angenehm war, war der doch überraschend hohe Anteil an spätpubertären Gören ("Closer wird mein Hochzeitslied!" - O-Ton. Ohne Scheiss.), aber vielleicht stand ich auch nur zufällig neben einem Rudel dieser Sorte. Naja, aber sobald das Konzert losging, verschwanden derlei Damen aus meiner Position sowieso recht schnell, was daran lag, dass meine Position vorne in der Mitte war und dort, sobald Trent auf die Bühne kam und mit Somewhat Damaged loslegte, naturgemäß die Hölle los war. Nach Last, Sin und March of the Pigs musste ich mir eingestehen, dass auch ich einen Gang runterschalten würde müssen wenn ich den Abend überleben würde wollen. Also ließ ich mich ein Stück zurückfallen und glücklicherweise kam mir auch Trent entgegen, indem er mit Something I Can Never Have für einen kurzen Waffenstillstand sorgte. Es folgte Ruiner, und dann - ich musste zurück nach vorn - Closer.

Der Erstickungtod hatte mittlerweile mehrmals hefig an die Tür geklopft und ich lebte sozusagen von einem Puster aus der Kilmaanlage zum nächsten, aber es folgten mit Burn und Gave Up sowieso Songs, die bei mir keine besonders intensiven Gefühle auslösten. Dann wurde es langsam wieder spannend: Ein kurzer Chill-Out mit Help Me I Am In Hell, dann eine Steigerung mit Eraser und schließlich Wish und The Big Come Down hintereinander, wow. Vor allem letzteres war wie schon auf der Beside You In Time-DVD (YouTube-Clip) ein klares Highlight.

Weiter gings mit der neuen Single Survivalism, Only und Suck. Na gut, wer's mag. Allerdings war es schon ein verdammt intensiver Moment, als Trent gegen Ende von Suck das Mikro ins Publikum warf und das letzte "I am so dirty on the inside" vor dem finalen Refrain von einem Fan singen ließ. Weiter ging es mit The Day The World Went Away, dank Na-Na-Na-Faktor quasi das Hey Jude der Nine Inch Nails. Direkt danach war ich etwas überrascht, weil ein Lied folgte, das ich nicht kannte; inzwischen weiß ich, es handelte sich um Dead Souls, ein Joy Divison-Cover, dass Trent für den Soundtrack von The Crow aufgenommen hatte.

Schließlich ging es in Richtung Finale: Hurt, The Hand That Feeds und zu guter Letzt Head Like A Hole, von dem ich nicht gedacht hätte, dass es dermaßen rocken würde. Fulminanter Abschluss also einer tollen und sehr intensiven Show. Ein kleiner Wermutstropfen ist, dass mir bewusst geworden ist, dass es ganz schön viele an sich beliebte Nine Inch Nails-Songs gibt, die mich nicht besonders umhauen. Was erfüllte und nicht erfüllte Setlist-Wünsche betrifft: Wish und Closer habe ich mir erwartet, über The Big Come Down habe ich mich sehr gefreut. Schön wären noch gewesen: Terrible Lie, Mr Self Destruct, The Becoming, The Great Below... Naja, man kann eben nicht alles haben, und die Show hatte mit 90 Minuten genau die richtige Länge.

So. Und jetzt bin ich erstmal gespannt, wie das neue Album Year Zero wird, das in ein paar Tagen erscheint.

Setlist, Bilder und Videos des Auftritts

Samstag, März 10, 2007

Immer nie am Meer


Immer nie am Meer ist für mich die größte Überraschung des bisherigen Kinojahres. Erwartet hatte ich mir eine einfache, leicht zotige No Budget-Tragikomödie, bekommen habe ich Beckett.

Über Dirk Stermann, Christoph Grissemann und Heinz Strunk (aka Mathias Halfpape aka Jürgen Dose), die Hauptdarsteller und Autoren des Films, lache ich ja schon ein Drittel meines Lebens, was die ersten beiden betrifft würde ich mich gar als waschechten Fan bezeichnen (Ich kann nur jedem empfehlen, das MP3-Archiv ihrer Off-Air-Tagebücher auf der FM4-Homepage zu plündern - geniales Lachmaterial für Wochen). Klar also, dass ich mich sehr auf den ersten Kinoauftritt dieser Herren freute. Regie führte Antonin Svoboda, der Plot ist schnell erklärt: Drei jämmerlich am Leben gescheiterte Männer mittleren Alters sitzen nach einem Unfall ohne Aussicht auf Rettung in einem Auto fest.

Was banal klingt, entpuppt sich als überraschend tiefsinnige Parabel auf nicht weniger als die gesamte menschliche Existenz. Dabei kann es wohl nur in Österreich funktionieren, Immer nie am Meer eine Komödie zu nennen, denn obwohl es einige Lacher gibt, ist es in der Tat vielleicht der nihilstischste und zynischste Film, den ich je gesehen habe. Das Beeindruckende dabei ist, mit welcher Dichte und Konsequenz er den vorgestellten Mikrokosmos nutzt, um die elementaren Fragen des Lebens zu thematisieren (und durchweg mit einem schallenden "Nein" zu beantworten). Diesen Tiefgang hätte ich mir von einem Stermann-und-Grissemann-Film einfach nicht erwartet. Kurz gesagt, ich bin baff.

www.immernieammeer.at

Dienstag, März 06, 2007

Flags of our Fathers / Letters from Iwo Jima


Achtung: Eventuell kleinere Spoiler.


Gleich vorweg: Ich finde das Projekt ziemlich reizvoll, das Steven Spielberg und Clint Eastwood da auf die Beine gestellt haben. Zwei Filme über eine historische Schlacht, zuerst aus der einen Perspektive, dann aus der des Gegners. Speziell handelt es sich um das Gefecht zwischen den USA und Japan um die Herrschaft über die Pazifikinsel Iwo Jima im Zuge des Zweiten Weltkriegs. Eastwood übernahm bei beiden Filmen die Regie.

Der erste Film, Flags of our Fathers, schildert die amerikanische Perspektive und erzählt die Geschichte rund um das berühmte Foto, das sechs US-Soldaten beim Flaggenhissen auf dem Berg Suribachi zeigt. Vorlage für den Film ist das Buch des Sohnes eines der Soldaten - die Entstehung dieses Buches dient auch als Rahmenhandlung. Diese wird wiederum vermischt mit zwei Handlungssträngen, die immer wieder hin- und herspringen und von den Hauptfiguren zusammengehalten werden: Zum einen die Schlacht auf Iwo Jima an sich, zum anderen die daraufgefolgte PR-Tour der Kriegshelden durch die USA. Dieses Durcheinander von Zeitebenen ist nicht komplett gelungen, führt aber auch zu einer der besten Szenen des Films: Die drei Hauptfiguren erklimmen mit der Fahne den Gipfel, während es rund um sie knallt und kracht; doch just als sie den Mast in den Boden stecken offenbart uns die Kamera, dass wir uns in Wirklichkeit bei einer Festveranstaltung in einem Footballstadion und die drei Helden sich auf einem nachgebauten Karton-Berg befinden; das Knallen kommt von Feuerwerkskörpern.

Anhand dieser doch ziemlich ironischen Szene sehen wir schon, dass es Eastwood unter anderem natürlich ums Dekonstruieren geht: Der Hype um das Bild und seine Helden ist auf einer ganzen Menge Lügen aufgebaut, aber für die US-Regierung immens wichtig gewesen, da sie zu dem Zeitpunkt so gut wie Pleite war und dringend Unterstützung brauchte, die wiederum nur durch einen Moral-Boost in der Bevölkerung möglich war. Die Schlachtszenen bekommen wir in klassischer Saving Private Ryan-Manier geboten, inklusive jeder Menge Eingeweide und abgetrennter Gliedmaßen und mit viel Wackelkamera, die uns die Chaotik der Situation verdeutlichen soll. Diese Szenen sind hervorragend inszeniert, und da liegt auch das Problem.

Ich weiß ja nicht wie es anderen Menschen geht, aber ich war einfach viel zu sehr von der Grandiosität von Kamera, Schnitt und Ton überwältigt, als dass ich noch viel anderes hätte fühlen können. Jedes Mal wenn es BUMM gemacht und der Kinosaal gebebt hat, habe ich mich gefreut wie ein kleines Kind. Und auch wenn einem Soldaten die Innereien heraushingen, dachte ich mir vor allem: Wow, wie haben die Make-Up-Leute das nur wieder hingekriegt? Technisch perfekt das alles. Nun könnte es sein, dass ich einfach zu einer sehr abgestumpften und zynischen Generation gehöre, aber umso mehr sollte man sich vielleicht Gedanken machen, ob dieser Weg, Antikriegsfilme zu machen, nicht schön langsam überholt ist. Ich verlange jetzt natürlich nicht ausgerechnet von Clint Eastwood, dass er in Hollywood eine neue Filmsprache einführt, aber generell würde ich meinen: Antikriegsfilme nach klassischem Muster sind tot. Bis auf die Eingweide und Körperteile funktionieren die meisten dieser Filme noch immer nach dem Muster von All Quiet on the Western Front. Und keinen berührt es mehr, weil wir es schon zig Mal gesehen haben. Andere Wege mit dem Thema umzugehen zeigen zum Beispiel Filme wie Apocalypse Now, Platoon oder The Thin Red Line, wenn diese auch trotz ihrer Sinnlichkeit eher auf einer existenziell-philosophischen Ebene funktionieren (und wenn auch letzterer in meinen Augen kläglich gescheitert ist), die dafür aber auch zeitloser ist.

Wollen wir aber fairerweise nicht vergessen, dass es in Flags of our Fathers neben dem Schrecken des Krieges ja vor allem um die Rolle des ikonischen Flaggen-Fotos geht und damit um die Frage nach dem Begriff Heldentum. Die Antwort bekommen wir etwas unelegant am Ende des Films zusammengefasst: Heldentum ist etwas, das die Menschen brauchen, um einen Sinn in etwas Entsetzlichem und im Grunde Abstrusem wie dem Krieg zu finden. Das Bild des Helden, der sich für sein Vaterland opfert wird jedoch vor allem von Medien und Politik inszeniert; wenn sich diese Leute aufopfern, dann für die Freunde und Kameraden um sie herum. Das ist zwar ein bisschen gar konsensual, aber werden wir nicht übermütig, wir sind schließlich noch immer in einem Hollywood-Film von Clint Eastwood, der sich obendrein zu dem Zeitpunkt sowieso längst als gescheitert erwiesen hat. Okay, das ist zu hart. Er ist nicht schlecht und hat durchaus einige interessante Dinge zu sagen. Aber richtig gut ist er halt auch nicht; Paul Haggis' Drehbuch ist einfach zu unausgewogen, die Charaktere zu flach und uninteressant. Ryan Philippe im Matrosenanzug. Nuff said.

Kommen wir also zu Letters from Iwo Jima, dem Film, der alles besser macht. Er zeigt die japanische Perspektive und hat das Glück, keinen Medienhype dekonstruieren zu müssen, sondern sich ganz auf die Schlacht an sich konzentrieren zu können - von ein paar kurzen Rückblenden abgesehen spielt der gesamte Film auf Iwo Jima. Die Drehbuchautorin Iris Yamashita liefert uns dabei endlich das, was wir beim Komplementärfilm so sehr vermisst haben: Charaktere, an denen uns etwas liegt. Im Vordergrund stehen dabei vor allem zwei: der charismatische, im Grunde amerikafreundliche General Kuribayashi (Ken Watanabe) und der einfache Soldat Saigo (Kazunari Ninomiya), der seine schwangere Frau daheim zurücklassen musste. Der Antikriegsaspekt ist dadurch viel eleganter in die Handlung integriert. Auch Eastwoods Inszenierung ist gelungen, weil auf poetische Weise düster, nahezu apokalyptisch. Dies führt den Film ein wenig mehr auf die existenzielle Ebene, von der ich vorhin gesprochen habe.

Meine Lieblingsszene war übrigens folgende: Zwei japanische Soldaten haben sich ein paar Amerikanern ergeben. Zwei der Marines bewachen die Gefangenen, bis es ihnen zu dumm wird; also knallt einer der beiden die wehrlosen Japaner - weiße Friedensfahne noch in der Hand - einfach ab. Diese Szene hat mir deshalb so so gut gefallen, weil sie all meine im Laufe des Films aufgekommenen Befürchtungen eliminiert hat, er laufe nur darauf hinaus, dass die meisten Japaner einfach zu blöd sind, rechtzeitig zu bemerken, was die Amis im Grunde für großartige, gutherzige Kerle sind.

Wenn man sich also unbedingt für einen der beiden Filme entscheiden will - und das geht, weil beide Filme wirklich in sich abgeschlossen und eigenständig sind - dann für Letters. Wer allerdings das innovative Projekt als solches erfahren möchte, der muss sowieso beide sehen. Die Reihenfolge ist dabei wiederum egal.

Donnerstag, März 01, 2007

Hollywoodland


Wenn irgendwo "Noir" draufsteht, kann man mich damit immer ködern. So kam ich auch um das jüngste Exemplar dieses Genres nicht herum, das den Titel Hollywoodland trägt und den mysteriösen Tod von Georges Reeves zum Thema hat, jenes Mannes, der durch die Rolle des Superman in der 50er-Fernsehserie The Adventures of Superman zu Starruhm gelangte.

Regisseur Allen Coulter, der zuvor beim Fernsehen beschäftigt war und hier sein Kinodebüt vorlegt, präsentiert uns keine eindeutige Auflösung des Falles, sondern bietet uns ganz im Rashomon-Stil mehrere Lösungen an. Der Film ist dabei in zwei Handlungsstränge unterteilt; zum einen werden wir Zeuge der Ermittlungen des heruntergekommenen Hard-Boiled-Detektivs Louis Simo (Adrien Brody), zum anderen bekommen wir Rückblenden zu sehen, die den Aufstieg und Fall von Georges Reeves (Ben Affleck) zeigen. Adrien Brody für so eine Rolle zu casten scheint seltsam, und in der Tat habe ich ein bisschen gebraucht um mich daran zu gewöhnen, aber irgendwie funktioniert es dann doch noch, vor allem, weil Simo eine etwas weichere und verletzlichere Version des klassischen Hard-Boiled-Detektivs darstellt, der zum Beispiel unter den Kommunikationsschwierigkeiten mit seinem kleinen Sohn leidet (Das hätte es bei Mitchum oder Bogart wohl nicht gegeben). Doch viel interessanter als die Krimigeschichte fand ich sowieso die Portraitierung von Reeves, in der sich außerdem mal wieder zeigt, dass Ben Affleck mitnichten ein schlechter Schauspieler ist, sondern eben einfach meistens in beschissenen Filmen spielt. Zusätzlich werden noch zwei tolle Nebendarsteller geboten: Bob Hoskins als böser Studioboss und Diane Lane als dessen Frau und Geliebte Reeves'.

Leider kommen Inszenierung und Story nicht über den guten Durchschnitt hinaus, wenn man also Vergleiche mit ähnlichen Filmen der letzten Zeit ziehen will, dann eher mit Where The Truth Lies als mit The Black Dahlia. Der Grund, sich Hollywoodland anzusehen liegt für mich eindeutig in der tragischen Reeves-Story, was vor allem Ben Affleck zu verdanken ist. Als Film Noir bietet er vergleichsweise wenig, das kann Brain De Palma dann doch besser.

Übrigens hat es offenbar einige Rechtsstreitereien mit Warner Brothers gegeben, die die Filmrechte am Superman-Stoff besitzen. So durfte der Film nicht wie ursprünglich geplant den zynischen Titel Truth, Justice and the American Way tragen, und das berühmte S-Logo durfte zwar zum Glück verwendet werden, musste aber aus dem Trailer hinausretuschiert werden.