Donnerstag, Mai 31, 2007

INLAND EMPIRE


Morgen läuft David Lynchs neues Werk INLAND EMPIRE endlich auch in Österreich regulär an. Ich war gestern bei der FM4-Kinopremiere, und ich glaube, dass das Rennen um meinen Lieblingsfilm 2007 damit gelaufen ist. Tatsächlich habe ich jede der 172 Minuten genossen, auch wenn ich verstehe, wenn es manchen zuviel des Guten ist.

Ich persönlich war schlicht gebannt von dem, was Lynch selbst mit einer billigen Digitalkamera an großartigen Bildern zustande bringt, von seinem wie immer grandiosen Sounddesign, von der Musik und von den Leistungen der Schauspieler, allen voran Laura Dern, die ja schon viel gelobt wurde. Bisher mochte ich sie nicht besonders, aber diesmal fand ich sie wirklich toll. Aber man darf auch die anderen nicht vergessen: Jeremy Irons, Justin Theroux, Grace Zabriskie... Außerdem haben viele bekannte Gesichter kleinere Rollen und Gastauftritte, wie es sich für einen Film über Hollywood gehört.

Auf jeden Fall ist INLAND EMPIRE Lynchs bisher radikalster und am schwierigsten zu entschlüsselnder Film (wenn man ihn denn entschlüsseln möchte). Dennoch fühlt er sich nie wie eine Serie von wahllos aneinandergereihten Szenen an, es ist immer gerade genug vorhanden, das dem Zuschauer zumindest ein paar vage Ahnungen von möglichen Zusammenhängen in die Hand gibt. Das Schwierige ist wohl die schiere Menge von Ebenenen, Handlungssträngen, Motiven, die sich in der langen Spielzeit offenbaren. Um diese zu verarbeiten und irgendwie einordnen zu können, wird wohl mehrmaliges Sehen erforderlich sein.

Die andere Möglichkeit ist natürlich, einfach den Wahnsinnstrip zu genießen. Und auch das lohnt sich wirklich; ich zumindest war am Ende ganz schön überwältigt.

IMDB-Link
Der italienische Trailer ist wahrscheinlich der schönste.
"Cheese is made from milk!"

Freitag, Mai 25, 2007

Chalk


Gestern ist Chalk von Joakim Sandberg erschienen, ein geradezu geniales Indie-Game, welches das Prinzip des klassischen Shoot-'em-Ups auf originelle Weise variiert. Statt Schüsse abzufeuern zeichnet man mit der Maus Kreidestriche, die man beispielsweise dazu einsetzen kann, Geschosse der Gegner auf sie selbst zurückzulenken. Das Spiel steckt voller guter Ideen, macht großen Spaß und ist sowohl geschmackvoll als auch sorgfältig designt. Ach ja, und Freeware ist es außerdem.

Hier geht's zur Website mit Download.

Montag, Mai 14, 2007

La Jetée


Chris Markers 1962 entstandenen, 28-minütigen Kurzfilm La Jetée zu sehen ist wohl eines der intensivsten filmischen Erlebnisse, das man haben kann - zumindest war es das für mich. Und das obwohl der Film fast gänzlich ohne Bewegung und Dialog auskommt. Klingt langweilig? Ist es aber nicht. La Jetée funktioniert nämlich als "Photo-Roman", wie es im Vorspann heißt. Er besteht nahezu komplett aus kunstvoll montierten Standbildern, darüber hören wir einen Off-Erzähler und, gezielt eingesetzt, Musik und Geräusche. Es ist gleichzeitig ein Science-Fiction-Film und eine Liebesgeschichte, eine Reflexion über Zeit, über Erinnerung, über das Kino.

Die Handlung spielt nach dem Dritten Weltkrieg. Paris ist zerstört und radioaktiv verseucht. Die Überlebenden haben sich in die Katakomben zurückgezogen und erforschen dort mittels Experimenten an Gefangenen die Technologie des Zeitreisens, um aus anderen Zeitzonen Hilfe holen zu können. Einem Gefangenen gelingt schließlich die Reise in die Vergangenheit, da er eine besonders intensive Erinnerung an ein Bild aus seiner Kindheit mit sich trägt, das ihm bis heute keine Ruhe lässt.

Übrigens kennen den Film zumindest indirekt auch viele Leute, die mit französischem Kunstkino nicht so viel am Hut haben und lieber Bruce Willis-Filme schauen; er war nämlich das Vorbild für Terry Gilliams 12 Monkeys. In die obligatorische Abwertung des "Remakes" werde ich aber gewiss nicht verfallen - zum einen sind die beiden einfach viel zu unterschiedlich und zum anderen finde ich 12 Monkeys großartig. Nichtsdestotrotz: La Jetée sollte man gesehen haben. Unbedingt. (Finger weg jedoch von der Version auf You Tube, zumindest von der englischen: Eine zentrale Szene fehlt.)

IMDB-Eintrag

Montag, Mai 07, 2007

Point + Click x 5

Independent Gaming hat heute eine Liste mit den 20 meisterwartetsten Freeware-Adventures veröffentlicht, größtenteils AGS-Titel. Da schiebe ich doch gleich meine eigene Liste nach. Um nicht den Überblick zu verlieren, beschränke ich mich jedoch auf fünf Plätze.

5. Zak McKracken and the Lonely Sea Monster


Von den vielen angekündigten Zak-Sequels ist bis jetzt (soweit ich mitbekommen habe) eines tatsächlich erschienen: Die neuen Abenteuer des Zak McKracken. Ohne Zweifel ein spaßiges Fangame, aber mehr oder weniger insgeheim wünschen wir uns eben doch einen richtigen Nachfolger, der uns etwas vom Spielgefühl des Originals zurückbringt. Die in meinen Augen interessantesten Projekte in dieser Hinsicht sind zum einen das ambitionierte Zak McKracken Beetween Time and Space, das sich mit hochauflösender Grafik und gerenderten Zwischensequenzen allem Anschein nach auch vor moderneren Titeln wie Runaway nicht zu verstecken brauchen wird, und zum anderen Zak McKracken and the Lonely Sea Monster, das einen völlig anderen Weg einschlägt, indem es sich eher an die Retro-Freunde und Nostalgiker wendet. Was das Spiel interessant macht, ist, dass ich das Gefühl habe, dass der Entwickler verstanden hat, worum es bei Zak McKracken geht, nämlich nach eigener Aussage:
  • Creating a sense of freedom through non-linearity
  • Creating a feeling of grand adventure through explorations not through puzzles exclusively.
  • Keep Zak in the Sleezy Tabloids World, a World of Mysteries, Hoaxes New age Crap as seen on the shelves of your local supermarket.
  • "Why use plastic C4 when a Can Opener and Peanut Butter will do the job?"
Auch grafisch hält er sich strikt an das Original (also tatsächlich des Originals, nicht der verbreiteteren Enhanced-Version). Hell, er verteidigt sogar die Mazes. (Was für ein Satz. Die deutsche Sprache stirbt.) Und der nötige Sinn für Humor scheint ebenfalls vorhanden zu sein.

Schön ist auch, dass er das Spiel tatsächlich erst kurz vor der Beta-Phase angekündigt hat. Die Chancen, dass es tatsächlich bald erscheint, stehen also gut.

4. Square John Boy


Ich hätte auch The Forgotten Element an diese Stelle setzen können, habe mich aber schließlich doch für Square John Boy entschieden, weil mich dieses pubertäre Riesentitten-Getue ankotzt.

Nicht nur, dass Square John Boy sehr hübsch aussieht, es hat auch ein interessantes Konzept zu bieten: Man übernimmt die Rolle eines geistig behinderten Burschen namens Henry, der Zeuge am Mord an seiner Mutter wurde. Ziel ist es, die Erinnerungsfetzen daran zu einem Ganzen zusammenzusetzen, die Geschehnisse zu begreifen und der Außenwelt mitzuteilen, auf dass der Mörder - Henrys eigener Vater - zur Rechtschaffenheit gezogen werden kann. Sollte die Kombination aus einer spannenden, unheimlichen Story und dem ernsthaften, sensiblen Thema geschmacksicher funktionieren, könnte uns ein hochinteressantes Spiel ins Haus stehen.

3. Indiana Jones and the Crown of Solomon


Ja, die Demo hatte ein paar Schwächen. Aber erstens glaube ich daran, dass die Jungs aus dem Feedback gelernt haben und zweitens kann ich nicht aus meiner Haut. Indiana Jones and the Last Crusade war mein erstes Lucasfilm Games/LucasArts-Adventure, und wenn ich mir die teilweise wunderschönen Screenshots zu Crown of Solomon ansehe, das als dessen direkter Nachfolger geplant ist, wird mir einfach warm ums Herz. Im Grafikstil des Vorbilds gehalten beginnt Crown of Solomon dort, wo dieses endet. Auf dem Rückweg von Iskenderun wird Indy von den Nazis aufgespürt und ins Schloss Brunnwald zurückgebracht, um von Hitler persönlich verhört zu werden. Ach, und erwähnte ich schon, dass die Freimaurer vorkommen?

2. Fester Mudd and the Curse of the Gold


Monkey Island im Wilden Westen. Cool. Wenn dieses Spiel hält, was Screenshots und Entwickler versprechen ("full-length, consisting of over 40 screens"), dann steht uns eine Zeitreise in die goldene Ära des Adventures bevor. Auch wenn es wohl noch etwas dauern wird. Aber vielleicht geht sich zumindest eine Demo dieses Jahr noch aus.

1. Indiana Jones and the Fountain of Youth


Sister product. Nicht Fangame oder Amateur-Adventure, nein: FoY ist ein sister product zu Indiana Jones and the Fate of Atlantis. Auf diese Bezeichnung für ihr Projekt legen die Entwickler Wert. Was eine ziemliche Ansage ist, wenn man bedenkt dass Fate of Atlantis eines der umfangreichsten und besten Adventures aller Zeiten ist. Nur: Spätestens die langerwartete Demo hat bewiesen, dass die das offensichtlich ernst meinen. Natürlich, vielleicht wird das Spiel ob solch hoher Ziele nie fertig, aber... Gott im Himmel, was ist, wenn doch?

So... Einmal Zak McKracken, zwei Mal Indiana Jones und einmal Monkey Island im Wilden Westen. Hat da jemand "reaktionär" und "nostalgisch verblendet" gesagt? Happy Birthday, SCUMM.

Donnerstag, Mai 03, 2007

Jackie Brown


Gestern habe ich zum zweiten Mal Quentin Tarantinos Jackie Brown gesehen, diesmal auf der Kinoleinwand und im Original, und ich muss sagen, dass ich, anders als beim ersten Mal, ziemlich überwältigt war. Was ist das doch für ein wunderbarer Film.

Angesichts von Reservoir Dogs, Pulp Fiction und Kill Bill ist man ja versucht, Jackie Brown mit einem "Jaja, ist eh auch nicht schlecht" abzutun und insgeheim die Action, die coolen Sprüche und/oder den grotesken Humor der anderen Filme zu vermissen. Dabei beweist Tarantino gerade mit Jackie Brown seine wahre Größe. Er hätte auch einfach ein zweites Pulp Fiction drehen können, sowie es seine unzähligen Epigonen versucht haben, aber stattdessen hat er etwas anderes probiert, ohne dabei seinen Stil zu verleugnen (komplexer Zitatedschungel, unnatürlich natürliche Dialoge, Coolness etc.).

Dabei merkt man dem Film in jeder Sekunde die Sorgfalt und Liebe an, mit der er umgesetzt wurde. Besonders zeigt sich dies in den Charakteren und ihren Beziehungen zueinander. Statt reiner postmoderner Ironie und comichafter Übertreibung bekommen wir hier wirklich ehrliche, emotionale Bindungen und Konflikte zu spüren. Mal ehrlich, wer hätte nach Reservoir Dogs und Pulp Fiction gedacht, dass Tarantino es schafft, eine menschliche Beziehung dermaßen subtil und bravourös darzustellen wie im Falle Jackie Brown und Max Cherry? Genauso gut wird etwa das Verhältnis von Ordell und Louis rübergebracht, oder die Spannung, die zwischen Jackie und Ordell herrscht.

Aber auch filmisch ist Jackie Brown einfach ungeheuer souverän. Natürlich nicht so experimentierfreudig wie Kill Bill, aber auch hier haben wir Dinge wie Splitscreen, lange Tracking Shots und eine Sequenz, die hintereinander aus drei verschiedenen Perspektiven erzählt wird. Allein die an De Palma und Hitchcock erinnernde Szene, in der Ordell Jackie in offensichtlicher Tötungsabsicht zu Hause besucht, ist meisterhaft. Oder natürlich die tolle Eröffnungssequenz mit Across 110th Street.

Ich freue mich jetzt jedenfalls von Neuem darauf, Tarantinos nächsten Streich, Death Proof, zu sehen. Soll ja schon wieder ein Meisterwerk geworden sein.