Dienstag, August 29, 2006

Miami Vice


Nach meinen letzten beiden Kinobesuchen (Pirates of the Carribean 2, Superman Returns) war Miami Vice eine Wohltat. Endlich wieder mal ein Film, bei dem man sich nicht in jeder zweiten Sequenz denken musste "Ach Gott wie peinlich" oder "Für wie blöd halten die mich?" Ich verlange ja keinen intellektuellen Tiefgang von einem Sommerblockbuster, aber zumindest einen Funken Respekt vor dem Zuseher. Was nicht heißt, dass Michael Manns Cop-Thriller ein absolutes Meisterwerk ist, aber man bekommt auf alle Fälle etwas mitreißendes geboten.

Ich habe die Serie nie gesehen, kann also auch keine Vergleiche anführen, allerdings habe ich vielerorts gelesen, dass der Film quasi einen Neubeginn darstellt und nicht allzu viel mit der Serie gemein hat – soll mir recht sein.

Der Film hat mir in etwa das gegeben, was ich erwartet habe: keine wahnsinnig originelle Story, aber eine verdammt stilvolle Inszenierung. Das Drehbuch bietet im Großen und Ganzen nichts, was wir nicht schon aus anderen Thrillern kennen: Die beiden Cops Sonny Crockett (Colin Farrell) und Rico Tubbs (Jamie Foxx) arbeiten undercover in der Organisation eines mächtigen Drogenbarons, in dessen Freundin sich Crockett verliebt. Wir klappern Standardsituationen des Genres ab (unbemerktes Einschleusen in die Bande, Bürohengst aus Washington nervt, Geiselnahme etc.) und bekommen auch keine besonders tiefsinnigen Dialoge zu hören.

Das klingt jetzt nach einem Film Marke Michael Bay oder Roland Emmerich, der das ganze mit haufenweise spektakulär-bombastischen Actionsequenzen kompensiert, aber weit gefehlt. Wir bekommen weder irre Verfolgungsjagden noch wahnsinnige Stunts geboten, sondern eher sparsam eingesetzte Action, die um ein realistisches Flair bemüht ist. Wer Heat oder Collateral gesehen hat, weiß in etwa, was ihn in der Hinsicht erwartet – ein harter, ernsthafter Thriller für Erwachsene. Der Film geht nie soweit, dass er es in irgendeiner Hinsicht übertreibt. Es gibt Stimmen, die sich eine intensivere Charakterisierung der Freundschaft zwischen Crockett und Tubbs gewünscht hätten. Ich finde, es wurde genau richtig gemacht. Es gibt keine formelhafte "So, jetzt stellen wir die Freundschaft der Hauptfiguren vor"-Sequenz aus dem Hollywood-Handbuch, sondern die Beziehung der beiden geht aus ihrem Verhalten hervor. Der Gipfel der Intimität ist es, wenn sie vor dem Showdown einen Moment lang kumpelhaft die Fäuste zusammenschlagen. Wenn ich da an die "Du weißt, dass ich dich liebe, Riggs"-Sequenz aus Lethal Weapon 3 denke, bin ich Miami Vice sehr dankbar für diese Subtilität.

Was den Film jetzt zu etwas wirklich Besonderem macht ist seine Ästhetik; Mann versteht es, die Atmosphäre des nächtlichen Miami und auch anderer Locations ungeheuer intensiv einzufangen. Dazu kommen immer wieder dokumentarisch wirkende, grobkörnige Handkamera-Aufnahmen, die den Realismus und das Mittendrin-Gefühl verstärken. Der Film wirkt dadurch sehr frisch und dynamisch. Und auch das Sounddesign ist erstklassig. Schon bei Collateral fand ich es großartig, dass ein Pistolenschuss im Gegensatz zu anderen Filmen wirklich so verflucht laut ist, dass man im Kinosessel zusammenzuckt. Eine im Grunde simple Maßnahme, aber ungeheuer wirkungsvoll, da uns Schüsse aus Feuerwaffen im Hollywood-Kino mittlerweile so vertraut sind, dass wir sie oft gar nicht mehr richtig wahrnehmen. Zusammenfassend kann man also sagen: Die Form triumphiert über den Inhalt. Den Film anzusehen ist einfach ein Genuss. Und sollte tatsächlich ein Director’s Cut auf DVD erscheinen, werde ich ziemlich sicher zugreifen.

Trotzdem ist die Durchgestyltheit und Coolness des Fims im Unterschied zu typischen Hochglanzproduktionen kein Selbstzweck, da sie sich selbst durchaus zwiespältig gegenübersteht. Jedenfalls hat man nicht den Eindruck, dass sich die beiden Hauptfiguren in dieser eiskalten Welt wohlfühlen. So betrachtet besitzt auch die Tatsache, dass der Film mit dem Song Numb eröffnet wird durchaus eine Bedeutung.

Die Sequenzen, die mich am meisten beeindruckt haben, waren übrigens der Anfang und das Finale. Der Anfang, weil das gnadenlose Ich-werf-euch-ohne-Vorspann-direkt-in-medias-res einfach unglaublich gut gelungen ist, und das Finale, weil es so packend und spannend war, dass es noch einige Zeit nachdem man den Kinosaal verlassen hat nachwirkt.

Sonntag, August 27, 2006

Rumble Fish


Gestern Abend habe ich Francis Ford Coppolas Rumble Fish (1983) gesehen, einen faszinierenden, atmosphärisch sehr dichten Film, der einen Einblick in das jugendliche Bandenmilieu einer amerikanischen Großstadt liefert. Er ist extrem stark durchkomponiert, vielleicht sogar zu sehr (ein paar weniger Einstellungen von Uhren hätten auch gereicht, damit die "Time is running out"-Botschaft ankommt); nichtsdestotrotz: Die Schwarz-Weiß-Photographie ist äußerst beeindruckend und erinnert mit ihren Schattenspielen und oft extremen Perspektiven an den deutschen Expressionismus oder den Film Noir. Zusammen mit den surrealen Effekten wie im Zeitraffer vorbeiziehende Wolken, denkt man gar das ein oder andere Mal an David Lynchs Eraserhead und Elephant Man. Dazu kommt ein treibender, stark perkussiv ausgerichteter Score vom Ex-Police-Schlagzeuger Stewart Copeland, der die Stimmung weiter verdichtet. Die Besetzung hat mich ziemlich aus den Latschen gekippt - ein bekanntes Gesicht nach dem anderen, die meisten jünger, als man sie sonst kennt: Matt Dillon, Mickey Rourke, Nicholas Cage, Dennis Hopper, Diane Lane (eine der schönsten Hollywood-Frauen und schon damals sehr hübsch), Chris Penn, Laurence Fishburne, Tom Waits... Alles in allem also ein sehr empfehlenswerter Film, wenn auch im Kino und im Original bestimmt ungleich wirkungsvoller als im Fernsehen.

IMDB-Eintrag
SZ-Cinemathek-DVD

Mittwoch, August 23, 2006

One, Two, Three


Ich weiß, man ist ziemlich allein, wenn man Some Like It Hot nicht für die beste Billy Wilder-Komödie oder gar die beste Komödie aller Zeiten hält. Und der Film hat ja auch seine Qualitäten. Aber mich persönlich haben andere Wilder-Filme mehr beeindruckt. Wenn es um seine Komödien geht, heißt mein neuer Liebling One, Two, Three – eine wahre Hochgeschwindigkeits-Satire, mit einem geradezu im Sekundentakt feuernden Witzarsenal, mit dem man locker drei Komödien hätte füllen können und in der wirklich alles auf die Schaufel genommen wird: amerikanisch-kapitalistischer Größenwahn, kommunistische Ideale, bürgerliche Plattitüden, „deutsche“ Tugenden, Geilheit, schlechte Musik, jugendliche Naivität, altvaterliche Überheblichkeit. Dazu gibt es ein herrliches Ensemble, bis in die Nebenrollen großartig, im Mittelpunkt Mr. Grapefruit James Cagney als Boss der Berliner Filiale des Coca Cola-Konzerns – eine perfekte Rolle für den alten Gangster.

IMDB-Eintrag
Kritik auf Filmstarts.de

Samstag, August 05, 2006

40 Jahre "Revolver"


Heute vor 40 Jahren ist Revolver von den Beatles erschienen - ein Album, das auf dem ständig umkämpften ersten Platz meiner liebsten Beatles-Alben bemerkenswert oft auftaucht (darin nur übertroffen von Abbey Road). (Anm.: Man beachte, wie geschickt ich mich um eine Reihung von Beatles-Alben zu drücken versuche, nur um dann doch eine zu liefern.) Nutzen wir die Gelegenheit doch, um nicht über die historische Bedeutung, die Einflüsse von Drogen oder das Klaus Voormann-Cover zu sprechen, sondern über die Songs – und zwar streng subjektiv.

1. Taxman

Ein geradliniges Rockstück, in dem sich Harrison über die Steuer ärgert. Ob man es glaubt oder nicht, gleich der Opener gefällt mir gar nicht so wahnsinnig. Für mich trotz des witzigen Texts einer der verzichtbareren auf der Platte.

2. Eleanor Rigby

Aber jetzt geht’s los. Was für ein Song. McCartney singt über Einsamkeit, Vergänglichkeit und Tod und wird dabei nicht etwa von den restlichen Beatles, sondern von zwei Streichquartetten begleitet.

Father McKenzie
Wiping the dirt from his hands as he walks from the grave
No one was saved

Unerreicht.

3. I’m Only Sleeping

Für mich als militanten Morgenmuffel sowieso ein perfektes Stück. Fängt großartig die Atmosphäre des morgendlichen Halbschlafes ein und ist in einer ökonomisch bestimmten, hektischen Leistungsgesellschaft wie unserer im Grunde der radikalste Protestsong, den man sich vorstellen kann.

Everybody seems to think I'm lazy
I don't mind, I think they're crazy
Running everywhere at such a speed
Till they find, there's no need

Besonders cool: Die rückwärts abgespielten Gitarren.

4. Love You To

Irgendwie mag kaum jemand, den ich kenne, diese Indischen-Exzess-Songs von Harrison wie diesen hier oder auch Within You Without You auf Sgt. Pepper. Ich finde beide toll und Love You To ist sogar mein Lieblings-Harrison-Song auf dem Album.

5. Here, There And Everywhere

Auch wenn mich die Lennon-Extremisten dafür verabscheuen: Ich find’s großartig (und hey, auch Lennon mochte den Song.) Inspiriert von God Only Knows von den Beach Boys gelingt McCartney wie schon bei Yesterday oder Michelle eine unwiderstehlich schöne Pop-Melodie.

6. Yellow Submarine

Ich kann gar nicht sagen, wie oft ich den Film in meiner Kindheit gesehen habe. (Wer ihn nicht kennt, sofort nachholen.) Dementsprechend groß ist meine Liebe zu diesem einfachen, aber unheimlich charmanten Liedchen. Everyone of us has all we need...

7. She Said She Said

Hier haben wir Psychedelic-Rock der besten Sorte von Lennon, inspiriert von einem Ausspruch Peter Fondas während einer gemeinsamen LSD-Session. Der When I was a boy-Teil wirkt in seiner Deplatziertheit herrlich bizarr.

8. Good Day Sunshine

Auch eher ein Song zum Überspringen. Wahrscheinlich zuviel Lebensfreude für meinen Geschmack.

9. And Your Bird Can Sing

Lennon hat sich später für den Song geschämt, hatte aber wie ich finde keinen Grund dazu. Okay, es ist kein großer Wurf, aber immerhin recht mitreissend.

10. For No One

Genial. Eine der besten McCartney-Kompositionen. Melancholisch, bescheiden, hat Stil.

11. Doctor Robert

Okay, aber auch nicht gerade das Spannendste auf dem Album. Am besten gefällt mir der fies-ironische Well, well, well, you’re feeling fine-Teil.

12. I Want To Tell You

Nicht mein Lieblings-Harrison-Song, aber durchaus kreativ. Das Riff zum Beispiel ist toll.

13. Got To Get You Into My Life

McCartneys Hymne auf Marihuana, aber natürlich funktioniert’s auch auf alles andere angewendet. Tolle Bläser.

14. Tomorrow Never Knows

Die Krönung. Die Melodie dieses experimentellen, meditativen Meisterwerks basiert wie in der indischen Musik nur auf einem einzigen Akkord, der Text ist von Timothy Learys Buch The Psychedelic Experience inspiriert (das wiederum auf das tibetanische Totenbuch zurückgreift) und last but not least kommen die irrsten Studioeffekte zum Einsatz. Lennon sagte in seiner gewohnt konkreten Art zum Produzenten George Martin, er wolle, dass seine Stimme klänge wie die des Dalai Lama, der auf dem höchsten Berggipfel singt, mit tausenden Mönchen, die im Hintergrund mitsingen – was mit Hilfe eines Leslie-Lautrechers recht gut gelungen ist, wie ich meine. Dazu kamen die Bandschleifen, die unter anderem für das „synthetische Möwengeschrei“ und das Chaos aus Trompeten und Gitarren sorgten, das sich durch den ganzen Song zieht. Und nicht vergessen werden darf natürlich Ringo Starrs kongenialer Schlagzeug-Beat. Turn off your mind, relax and float down stream…

Donnerstag, August 03, 2006

Die unabhängigste Tageszeitung der Welt

Es ist wahrlich sagenhaft, mit welcher Dreistigkeit und Ungeniertheit die Krone schon jetzt massiven Wahlkampf für Hans Peter Martin und seine Bürgerliste betreibt. Seit er am Sonntag mittels eines ganzseitigen Inserats (von der Zeitung nur sehr halbherzig als Gastkommentar getarnt) dazu aufgerufen hatte, ihm "so schnell wie möglich" Unterstützungserklärungen für seine Kandidatur zu unterschreiben, samt Überschrift "Für Kleinparteien wird Antreten von H.-P. Martin schmerzhaft" auf der gegenüberliegenden Seite und natürlich der Headline "Ab Dienstag sammelt er Unterschriften: H.P. Martin startet in den Wahlkampf" auf dem Titelblatt, verging fast kein Tag, an dem Opi Dichand nicht auf seinen derzeitigen Liebling geachtet hätte.

Am Montag auf Seite 5 die irrsinnig spannende Schlagzeile "Konkurrenz wartet, ob H.-P. Martin Hürdenlauf zur Kandidatur schafft", am Dienstag ausnahmsweise nur gewöhnlich niveauloses EU-Bashing, am Mittwoch ein Foto von HPM vor der Ortstafel von Bregenz, wo er mit dem Unterschriftensammeln loslegte, und heute eine ganze (!) zusätzliche Leserbriefseite, die sich nur mit dem selbsternannten Saubermann beschäftigt (mit dem extrem ausgewogenen Meinungsverhältnis von sechs Leserbriefen für und einem gegen ihn).

Mit der Krone im Rücken sollte es für Martin ein Leichtes sein, nicht nur zur Wahl antreten zu können, sondern auch ins Parlament zu kommen. Gut, in die Regierung wird er es meiner Einschätzung nach kaum schaffen, aber es nervt mich trotzdem immer wieder, dass manche Leute für ihre Wahlwerbung bezahlen müssen und andere sie umsonst bekommen, sei es von Fast-Food-Konzernen oder von "unabhängigen" Medien.