Mittwoch, September 27, 2006

Take My Breath Away Baby

Gestern liefen auf BR sowohl Außer Atem (A bout de souffle) (1960) von Jean-Luc Godard als auch Atemlos (Breathless) (1983), das amerikanische Remake von Jim McBride. Was für eine schöne Gelegenheit, die beiden Filme mal direkt hintereinander zu sehen.

Beide handeln von einem etwas ausgeflippten Kleinganoven, der in eine junge Studentin verliebt ist, die sich von dessem lausbübischen Outlaw-Charme zugleich angezogen und abgestoßen fühlt.

In Anbetracht dessen, dass Godards Film durch seine innovative Inszenierung nicht nur eines der Schlüsselwerke der Novelle Vague, sondern überhaupt einen der revolutionärsten Streifen in der Geschichte des Kinos darstellt, ist der Versuch, die beiden Filme zu vergleichen natürlich das Bescheuertste was man machen kann, und deswegen tu ich das jetzt einfach mal.

Die Hauptfigur


bei Godard: Jean-Paul Belmondo als Michel Poiccard

Cool, ohne Zweifel. Hat auf jeden Fall den zeitloseren Stil: schlechtsitzender Anzug, Krawatte, Hut, dazu meistens Sonnenbrille und Zigarette. Großes Idol: Humphrey Bogart.



bei McBride: Richard Gere als Jesse Lujack

Geschmackssache. Sagen wir mal hart an der Grenze. Styling: unter anderem rotes Rüschenhemd, Fifties-Jacke, gestreifte Hose. Auch sonst auffälliger und zappeliger als Belmondo. Tanzt und singt fast ununterbrochen irgendwelche Rock'n'Roll-Songs. Identifiziert sich mit der Comic-Figur Silver Surfer. Großes Idol: Jerry Lee Lewis.

Das Mädchen

bei Godard: Jean Seberg als Patricia Franchini

Süß, ohne Zweifel. Nationalität: Amerikanerin. Styling: Kurzhaarschnitt und Sonnenbrille. Möchte auf der einen Seite die moderne junge Frau verkörpern, fällt aber auf der anderen Seite auf die altmodischsten Anmachsprüche rein - in der Sequenz, in der sie einen exzentrischen Romancier interviewen muss, wird dieses Dilemma wunderschön auf den Punkt gebracht.

bei McBride: Valérie Kaprisky als Monica Poiccard

Klar, von der Bettkante würde die junge Französin wohl keiner stoßen, trotzdem bleibt sie ziemlich blass und wirkt als Person relativ uninteressant. Ist die meiste Zeit damit beschäftigt notgeilen, alten Architekturprofessoren in den Arsch zu kriechen.

Die Musik

bei Godard: Die jazzigen, improvisiert wirkenden Themen passen wundervoll zum Stil des Films und die kurzen, wiederkehrenden Leitmotive summt man noch lange nach dem Abspann.

bei McBride: Auch hier muss man einen glatten Einser vergeben. Fifties-Rock'n'Roll regiert den Soundtrack und harmoniert damit mit dem Lebensgefühl der Hauptfigur. Toll vor allem die allerletzte Sequenz, wenn sich Kitsch-Orchester und Rock'n'Roll quasi ein Duell liefern.

Die Inszenierung

bei Godard: Handkamera, Improvisation, Originalschauplätze, Jump-Cuts, Jump-Cuts, Zitate und Jump-Cuts.

bei McBride: Action, Romantik, Suspense, Kitsch, Erotik - Hollywood as its best: bigger than life. Dazu viel amerikanische Popkultur: Rock'n'Roll, Comics, Autos und Graffitis.

Fazit

Alles in allem gefallen mir beide Filme ziemlich gut. Natürlich ist Godards Film wichtiger und bahnbrechender, aber McBrides Version ist für ein Remake in neuem Kontext ziemlich gut gelungen. Es hat seinen Reiz, die französisch-Novelle-Vague-artige und die modern-hollywoodeske Realisierung einer Idee nebeneinander zu haben (wie etwa auch bei Claude Chabrols La femme infidele und Adrian Lynes Unfaithful - letzeres übrigens ebenfalls mit Richard Gere).

Mittwoch, September 13, 2006

San Andreas's 115th Dream

Heute Nacht hatte ich einen recht seltsamen Traum. Ich befand mich als blinder Passagier auf einem Piratenschiff, zusammen mit noch ein paar anderen, darunter Männer, Frauen, Kinder, von allem etwas. Das Ungewöhnliche war, dass die Mannschaft des Schiffs nicht aus Piraten, sondern ausschließlich aus Nazi-Soldaten bestand. Wir waren hinter Kisten versteckt und beobachteten sie beim Im-Stechschritt-Marschieren an Deck, als uns plötzlich der Atem stockte – Hermann Göring trat aus der Kapitänskajüte und verkündetete wütend schreiend, dass er nichts mehr hasse als blinde Passagiere, und dass er das Schiff persönlich nach solchen absuchen werde. Von Panik ergriffen suchten wir nach Verstecken. Da erblickte ich eine kleine Waschschüssel, wie ich sie aus dem Pflegeheim, in dem ich meinen Zivildienst abgeleistet hatte, kenne. Ich schnappte sie, lief in eine dunke, abgelegene Ecke und schaffte es dort tatsächlich, mich komplett in der Schüssel zu verkriechen, so dass es bei sehr oberflächlichem Hinsehen so aussah, als würde nur ein Haufen Kleidung darin liegen. Doch nach kurzer Zeit kam Göring bereits direkt auf die dunkle Ecke zu, noch immer schreiend, inzwischen zählte er Foltermethoden auf, die er an blinden Passagieren vorzunehmen pflege. Als er bereits wenige Zentimeter von der Waschschüssel entfernt war, wurde er im letzen Moment durch irgendetwas abgelenkt und gab die Suche auf. Letztenendes hatte der dicke Hermann keinen von uns entdeckt, und wir feierten schließlich unseren Erfolg so offen und herzlich, dass man annehmen muss, dass die Nazis aus irgendeinem Grund sämtlich verschwunden waren. Ende gut, alles gut.

Ich biete die Verfilmungsrechte dieses Traums hiermit zum Verkauf an. Denn Nazis und Piraten, das kann nur ein Hit werden. Gleichzeitig wäre ich sehr an einer psychoanalytischen Deutung interessiert.

Samstag, September 09, 2006

Der faulige Gestank der Ignoranz

Eigentlich wollte ich diese dämliche Diskussion ja vollkommen ignorieren, weil sie mich sowieso nur aufregt. Die Rede ist von der Eva-Herman-Karriere-oder-Kinder-Sache. Was mein Blut dabei am meisten in Wallung bringt ist, dass es laut dieser Debatte (wie übrigens in fast jeder Debatte zu diesem Thema), sowieso nur zwei Typen von Frauen gibt.

1) Schüchterne Hausmütterchen, die sich nicht trauen, ihrem bösen, meist betrunkenen, jeden abend Fußballschauenden Mann zu widersprechen. Sie tragen stets eine geblümte Schürze, verbringen den ganzen Tag nur mit Kochen, Windeln wechseln und in der Bibel lesen, und haben nicht die geringste Ahnung, dass es auch einen weiblichen Orgasmus gibt. Sie sind dumm, ungebildet und leben in der sogenannnten „Provinz“, was in Österreich „alles außer der Wiener Innenstadt“ bedeutet.

2) Knallharte, coole, wunderschöne, sexy, intelligente, emotional gefestigte, reife, starke, selbstbewusste, unabhängige, schlaue, hochgebildete, ehrgeizige Karrierefrauen. Diese Frauen sind ausnahmslos in kreativen, topbezahlten Bürojobs (meistens in der Marketing-Branche oder im Journalismus) tätig, tragen immer ein maßgeschneidertes Kostüm, und befinden sich stets in Konkurrenz mit anderen, die genauso ehrgeizig wie sie selbst sind, den nächst höheren Posten zu ergattern, damit sie dann noch mehr verdienen. Während sich die Mittel der anderen auf Mobbing, Intrigieren und mit dem Chef ins Bett gehen beschränken, versuchen sie selbst, ihre Ziele ausschließlich durch harte Arbeit und gute Ideen zu erreichen. In Österreich leben sie ausnahmslos in der Wiener Innenstadt, haben aber vor, so bald wie möglich nach Berlin zu ziehen.

Ich könnte noch viel länger weitermachen, aber das erübrigt sich sowieso. Einfach einer Diskussion zum Thema lauschen oder ein paar Artikel lesen, um die beiden Profile bis ins Unendliche zu erweitern. Es lebe der faulige Gestank der Ignoranz.