Die letzten Tage mussten Prüfungen, Filme und soziale Kontakte leider etwas zurückstecken, denn ich bin fatalerweise über Bullfrogs Syndicate gestolpert, ein Spiel, das mich völlig unverhofft gepackt und an den Bildschirm gefesselt hat.
Bullfrog war Anfang der Neunziger eine der innovativsten und hochgelobtesten Spielehersteller - Kopf des Teams war Peter Molyneux, jüngeren Semestern bekannt durch Black and White, Fable und The Movies. Damals hat er mit Bullfrog seinen Ruhm als Designer begründet, vor allem natürlich durch das God-Game-Meisterwerk Populous und dessen Fortsetzung, aber auch durch Spiele wie Magic Carpet, Theme Park und 1993 eben Syndicate. Meistens waren Bullfrog-Spiele durch ihre originellen Spielmechnaniken nur schwer in Genres einzuordnen, was auch hier zutrifft.
Bei Syndicate kommt wie so oft Molyneux' Faszination für die dunkle, böse Seite im Menschen zum Vorschein. Das Szenario ist eine klassische Cyberpunk-Dystopie: Die Welt wird nicht mehr von Regierungen, sondern von einer Handvoll Konzerne beherrscht, die sich über Dinge wie Bürgerrechte und moralische Werte eher wenige Gedanken machen. Wer jetzt glaubt, der Spieler übernimmt die Rolle eines jungen Helden, der eine Untergrundbewegung anführt, mit dem Ziel die Herrschaft der Konzerne zu brechen - weit gefehlt. In Wirklichkeit übernehmen wir die Rolle eines Konzerns, und unser bescheidenes Ziel ist die Alleinherrschaft über die Welt durch Vernichtung der anderen Konzerne.
Und es gibt tatsächlich keinen Twist bei der Sache. Wir sind kein "guter" Konzern oder so, auch nicht mit einem eigenem, im Grunde moralischen Ehrenkodex. Schon im Intro wird gezeigt, wie wir Agenten "ausbilden; nämlich indem wir uns Typen von der Straße schnappen, ihnen einen Chip implantieren und sie mit Drogen vollpumpen. Und wenn uns beim Kampf gegen die gegnerischen Konzerne Polizisten oder ahnunglose Passanten im Weg sind, dann werden sie eben aus dem Weg geräumt. Doch bevor wir weiter über das Weltbild von Syndicate reden, erstmal zum Gameplay.
Auf einer Weltkarte wählt der Spieler ein Land/Gebiet, dass er erobern möchte und erhält daraufhin ein Missionsbriefing. In den Missionen steuert er ein Team von bis zu vier Agenten aus isometrischer Perspektive, meistens durch eine Stadt. Diese Städte sind sehr lebendig gestaltet: Zivilisten spazieren umher, Autos fahren, Polizisten patroullieren. Die Missionsziele reichen von Killeraufträgen über Eskortierungen bis zu Sabotage und fast immer hat man es mit einer Überzahl feindlicher Agenten zu tun, die unserem Team ans Leder wollen.
Das Ganze spielt sich als Mischung aus Taktik und Action. Ist die Mission erfüllt, gehört das Gebiet uns und wir können Steuern eintreiben, von denen wir Waffen, Munition und Upgrade-Implantate für unser Team kaufen und erforschen. Allerdings darf man nicht übermütig werden: Sind die Steuern zu hoch, gibt's eine Revolte - dann muss man das Gebiet noch einmal erobern.
Die Sogwirkung von Syndicate ist der von Populous sehr ähnlich, und die non-lineare Missionsauswahl über die Weltkarte ist wirklich extrem motivierend, nach dem Motto "China schnapp ich mir jetzt aber noch. - So, jetzt nehm ich noch Indonesien mit. - Aber bei Australien ist dann für heute Schluss..." Dazu kommt noch das ständige Upgraden und Erforschen neuer Gimmicks und Waffen. Kurz gesagt, das Spiel macht absolut süchtig.
Auch die Missionen selbst machen, obowohl sie meist nach ähnlichem Muster ablaufen, wirklich Spaß und sind ungeheuer spannend. Ich glaube, das ist das erste Mal, dass ich einem Spiel nicht böse bin, dass es mich innerhalb der Missionen nicht speichern lässt. Deren Umfang und Schwierigkeitsgrad sind nämlich perfekt darauf zugeschnitten.
Ein paar kleine Negativpunkte fallen mir allerdings auch ein. Zum einen werden die Figuren, wenn sie hinter Gebäuden stehen, wirklich von ihnen verdeckt; sie scheinen also nicht durch, wie bei moderneren Titeln. Wenn mich Gegner aus dieser Position angreifen, kann ich mich nur wehren, indem ich ihren Standort mithilfe der Karte erschätze. Auch wenn ich Gebäude betrete, wird deren Decke nicht transparent - Gefechte in diesen werden somit zu Blinde-Kuh-Spielen.
Ein weiteres Problem betrifft die nicht immer makellos funktionierende Wegfindung. Das kann zum Beispiel für Frust sorgen, wenn man mit einem hochempfindlichen, missionsrelevanten Fahrzeug gerade eine Masse von wild um sich schießenden Gegnern durchquert hat und es dann plötzlich umkehrt, obwohl der Zielort in der Gegenrichtung liegt. Aber diese Mängel sind angesichts des Alters des Spiels verzeihlich.
Syndicate ist übrigens nicht nur in seinem Szenario kompromisslos, auch das Gameplay und die grafische Gewalt ist für die Zeit ziemlich hart. Im Grunde verbringt man bei aller taktischer Tiefe die meiste Zeit damit, Massen von Gegnern per Minigun mit Blei vollzupumpen, worauf sie von der Wucht der Schüsse mehrere Meter zurückgeschleudert werden bis sie in sich zusammensacken. Auch Verbrennen und In die Luft jagen ist möglich, und laut MobyGames spritzt in der englischen Originalversion sogar jede Menge Blut.
Vielleicht verkläre und überinterpretiere ich hier, aber ich habe nicht das Gefühl, dass all dieser Zynismus und diese Gewalt völlig unreflektiert und um der "Coolness" willen in diesem Spiel steckt, á la "John Romero's about to make you his bitch". Vielmehr wirkt Syndicate wie ein Werk von Leuten, die so richtig von der Welt und ihrer Entwicklung angepisst sind und das mit dem Spiel ausdrücken wollten. Wenn es in diesem totalitären Terrorregime nur von ein paar Prozent Steuersatz mehr oder weniger abhängt, ob die Bevölkerung revoltiert oder als "sehr glücklich" eingestuft werden kann, dann hinterlässt das einen schalen Nachgeschmack.
Was man mit Sicherheit sagen kann, ist, dass Syndicate ein äußerst innovatives und auch sehr einflussreiches Spiel war, man denke an X-COM, Commandos oder gar an GTA. Und vor allem ist es noch heute ungeheuer packend und macht einen Heidenspaß. Generell: Wer sich fragt, warum jedesmal so ein Riesen-Hype entsteht, wenn Peter Molyneux ein neues Spiel ankündigt, der sollte sich die Bullfrog-Klassiker der frühen Neunziger einmal ansehen.
Syndicate auf MobyGames
Power Play-Testbericht
Bullfrog war Anfang der Neunziger eine der innovativsten und hochgelobtesten Spielehersteller - Kopf des Teams war Peter Molyneux, jüngeren Semestern bekannt durch Black and White, Fable und The Movies. Damals hat er mit Bullfrog seinen Ruhm als Designer begründet, vor allem natürlich durch das God-Game-Meisterwerk Populous und dessen Fortsetzung, aber auch durch Spiele wie Magic Carpet, Theme Park und 1993 eben Syndicate. Meistens waren Bullfrog-Spiele durch ihre originellen Spielmechnaniken nur schwer in Genres einzuordnen, was auch hier zutrifft.
Bei Syndicate kommt wie so oft Molyneux' Faszination für die dunkle, böse Seite im Menschen zum Vorschein. Das Szenario ist eine klassische Cyberpunk-Dystopie: Die Welt wird nicht mehr von Regierungen, sondern von einer Handvoll Konzerne beherrscht, die sich über Dinge wie Bürgerrechte und moralische Werte eher wenige Gedanken machen. Wer jetzt glaubt, der Spieler übernimmt die Rolle eines jungen Helden, der eine Untergrundbewegung anführt, mit dem Ziel die Herrschaft der Konzerne zu brechen - weit gefehlt. In Wirklichkeit übernehmen wir die Rolle eines Konzerns, und unser bescheidenes Ziel ist die Alleinherrschaft über die Welt durch Vernichtung der anderen Konzerne.
Und es gibt tatsächlich keinen Twist bei der Sache. Wir sind kein "guter" Konzern oder so, auch nicht mit einem eigenem, im Grunde moralischen Ehrenkodex. Schon im Intro wird gezeigt, wie wir Agenten "ausbilden; nämlich indem wir uns Typen von der Straße schnappen, ihnen einen Chip implantieren und sie mit Drogen vollpumpen. Und wenn uns beim Kampf gegen die gegnerischen Konzerne Polizisten oder ahnunglose Passanten im Weg sind, dann werden sie eben aus dem Weg geräumt. Doch bevor wir weiter über das Weltbild von Syndicate reden, erstmal zum Gameplay.
Auf einer Weltkarte wählt der Spieler ein Land/Gebiet, dass er erobern möchte und erhält daraufhin ein Missionsbriefing. In den Missionen steuert er ein Team von bis zu vier Agenten aus isometrischer Perspektive, meistens durch eine Stadt. Diese Städte sind sehr lebendig gestaltet: Zivilisten spazieren umher, Autos fahren, Polizisten patroullieren. Die Missionsziele reichen von Killeraufträgen über Eskortierungen bis zu Sabotage und fast immer hat man es mit einer Überzahl feindlicher Agenten zu tun, die unserem Team ans Leder wollen.
Das Ganze spielt sich als Mischung aus Taktik und Action. Ist die Mission erfüllt, gehört das Gebiet uns und wir können Steuern eintreiben, von denen wir Waffen, Munition und Upgrade-Implantate für unser Team kaufen und erforschen. Allerdings darf man nicht übermütig werden: Sind die Steuern zu hoch, gibt's eine Revolte - dann muss man das Gebiet noch einmal erobern.
Die Sogwirkung von Syndicate ist der von Populous sehr ähnlich, und die non-lineare Missionsauswahl über die Weltkarte ist wirklich extrem motivierend, nach dem Motto "China schnapp ich mir jetzt aber noch. - So, jetzt nehm ich noch Indonesien mit. - Aber bei Australien ist dann für heute Schluss..." Dazu kommt noch das ständige Upgraden und Erforschen neuer Gimmicks und Waffen. Kurz gesagt, das Spiel macht absolut süchtig.
Auch die Missionen selbst machen, obowohl sie meist nach ähnlichem Muster ablaufen, wirklich Spaß und sind ungeheuer spannend. Ich glaube, das ist das erste Mal, dass ich einem Spiel nicht böse bin, dass es mich innerhalb der Missionen nicht speichern lässt. Deren Umfang und Schwierigkeitsgrad sind nämlich perfekt darauf zugeschnitten.
Ein paar kleine Negativpunkte fallen mir allerdings auch ein. Zum einen werden die Figuren, wenn sie hinter Gebäuden stehen, wirklich von ihnen verdeckt; sie scheinen also nicht durch, wie bei moderneren Titeln. Wenn mich Gegner aus dieser Position angreifen, kann ich mich nur wehren, indem ich ihren Standort mithilfe der Karte erschätze. Auch wenn ich Gebäude betrete, wird deren Decke nicht transparent - Gefechte in diesen werden somit zu Blinde-Kuh-Spielen.
Ein weiteres Problem betrifft die nicht immer makellos funktionierende Wegfindung. Das kann zum Beispiel für Frust sorgen, wenn man mit einem hochempfindlichen, missionsrelevanten Fahrzeug gerade eine Masse von wild um sich schießenden Gegnern durchquert hat und es dann plötzlich umkehrt, obwohl der Zielort in der Gegenrichtung liegt. Aber diese Mängel sind angesichts des Alters des Spiels verzeihlich.
Syndicate ist übrigens nicht nur in seinem Szenario kompromisslos, auch das Gameplay und die grafische Gewalt ist für die Zeit ziemlich hart. Im Grunde verbringt man bei aller taktischer Tiefe die meiste Zeit damit, Massen von Gegnern per Minigun mit Blei vollzupumpen, worauf sie von der Wucht der Schüsse mehrere Meter zurückgeschleudert werden bis sie in sich zusammensacken. Auch Verbrennen und In die Luft jagen ist möglich, und laut MobyGames spritzt in der englischen Originalversion sogar jede Menge Blut.
Vielleicht verkläre und überinterpretiere ich hier, aber ich habe nicht das Gefühl, dass all dieser Zynismus und diese Gewalt völlig unreflektiert und um der "Coolness" willen in diesem Spiel steckt, á la "John Romero's about to make you his bitch". Vielmehr wirkt Syndicate wie ein Werk von Leuten, die so richtig von der Welt und ihrer Entwicklung angepisst sind und das mit dem Spiel ausdrücken wollten. Wenn es in diesem totalitären Terrorregime nur von ein paar Prozent Steuersatz mehr oder weniger abhängt, ob die Bevölkerung revoltiert oder als "sehr glücklich" eingestuft werden kann, dann hinterlässt das einen schalen Nachgeschmack.
Was man mit Sicherheit sagen kann, ist, dass Syndicate ein äußerst innovatives und auch sehr einflussreiches Spiel war, man denke an X-COM, Commandos oder gar an GTA. Und vor allem ist es noch heute ungeheuer packend und macht einen Heidenspaß. Generell: Wer sich fragt, warum jedesmal so ein Riesen-Hype entsteht, wenn Peter Molyneux ein neues Spiel ankündigt, der sollte sich die Bullfrog-Klassiker der frühen Neunziger einmal ansehen.
Syndicate auf MobyGames
Power Play-Testbericht
3 Kommentare:
Zitat:
"Wer jetzt glaubt, der Spieler übernimmt die Rolle eines jungen Helden, der eine Untergrundbewegung anführt, mit dem Ziel die Herrschaft der Konzerne zu brechen..."
Das wäre dann irgendwie Final Fantasy 7...
Finde aber das Spiel sehr unheimlich (zumindest was ich gesehen habe), aber auch sehr spannend. Ich könnte aber das Spiel niemals wirklich spielen, weil ich jedesmal Gewissensbisse bekommen würde, wenn ich daran denke, dass ich so einen bösen Konzern spiele.
Syndicate... toll, ein echter Klassiker, das Ding habe ich Mitte der Neunziger vergöttert. Irgendwo hier müsste noch die Original-CD rumfliegen. Das Spielprinzip war wirklich süchtig machend (und der Fakt, dass man - damals noch eine Novität - Leute mit dem Flammenwerfer anzünden und dann brennend rumlaufen sehen konnte), wurde mir aber in den letzten Missionen zu knackig.
Wobei, Syndicate war ein Parkspaziergang im Vergleich zum Add-On American Revolt.
Nette Rezi, danke für die Erinnerungen.
Äh... die machen grad nen cgi - film zu syndicate. Hier: myspace.com/project_creations
Ja und schöner Beitrag =)
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