Mittwoch, November 01, 2006

Meine Geschichte als Computer- und Videospieler - Teil 5

Wir sind mittlerweile im Jahr 2000 angelangt, und ich darf darauf hinweisen, dass es in unserem Haushalt noch immer keinen Internetzugang gab, was eigentlich schon seit längerem die absolute Ausnahme war. Ich war kein Mensch, ich war "der Trottel ohne Internet". Wahrscheinlich kommt daher meine bis heute anhaltende intuitive Abneigung gegen Multiplayer-Modi und -Spiele. (Sieht in etwa so aus: Singleplayer-Spieler sind an Computerspielen als Kunstwerke interessiert, für Multiplayer-Spieler ist es nur ein stumpfsinniger Sport. Ziemlich simple und extremistische Ansicht, ich weiß, aber ein bisschen was von ihr steckt bis heute in mir drin, ob ich das nun will oder nicht.) Wie dem auch sei, meine Quellen für Zeug aus dem Netz waren a) Spiele-Heft-CDs und b) die Informatik-Stunden in der Schule. So kam ich etwa an Mods für Half-Life, die mir größtenteils viel mehr Spaß machten als das Hauptspiel (das ich noch heute für in vielerlei Hinsicht überbewertet halte). Rechts zu sehen: Die höchst vergnügliche Zombie-Metzelei They Hunger von Neil Manke.

Vor allem aber öffnete sich mir langsam aber sicher die wundervolle Welt der Emulatoren. Es begann mit dem C64-Emulator CCS64, durch den ich erste Bekanntschaften mit der Ultima-Reihe und den Infocom-Textadventures machte – an beidem war ich schon lange sehr interessiert gewesen, und beides beeindruckte mich auch ziemlich. Immerhin fand ich in Ultima V endlich die von mir so schmerzlich vermisste lebendige Spielwelt voller Handlungsfreiheit; trotzdem blickte noch nicht so richtig durch. Auch in die Infocom-Spiele waren sehr reizvoll, aber ebenfalls sehr schwierig, vor allem auf dem C64 (globige Buchstaben und Nachladen nach jedem Absatz). Es sollte noch einige Zeit dauern, bis ich beides endgültig für mich entdecken würde. Ein anderer wichtiger Emulator war ZSNES, durch den ich die Super Nintendo-Konsole kennenlernte, die mir als Sega-Jünger bisher verschlossen geblieben war. (Selbstverständlich spielte ich all diese Emulatoren-Spiele nur bei Freunden, die die Originale besaßen und Sicherheitskopien angefertigt hatten – auf die Idee, mir ROMs aus dem Internet herunterzuladen würde ich nie kommen. Hätte ich auch keinerlei Verständnis dafür, ehrlich. Was ist schließlich dabei, mal schnell beim Media Markt um die Ecke vorbeizuschauen und sich, sagen wir, die Nice Price-Version von Labyrinth für den C64 zu holen? Außerdem möchte ich, dass George Lucas möglichst viel Geld verdient, um American Graffiti endlich so bearbeiten zu können, dass es seiner ursprünglichen Vision entspricht. Hoppla, ich schweife ab.)

Irgendwann bekam mein Bruder Baldur’s Gate II (Bild links) zum Geburtstag geschenkt. Auch ich versuchte mich daran und war zutiefst beeindruckt vom spannenden Gameplay und der romanhaften Dichte von Story, Atmosphäre und Charakterzeichnungen. Das wunderte mich einigermaßen – war ich nicht damals vom ersten Teil so enttäuscht gewesen? Sollte dieser um so vieles schlechter als sein Nachfolger sein? Ich beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen und spielte den ersten Teil noch einmal. Und dieses Mal erkannte ich, um was für ein großartiges Werk es sich handelt, auch wenn Baldur’s Gate II tatsächlich noch um ein, zwei Klassen besser und ausgereifter ist und meiner Meinung nach vielleicht sogar die bisherige Krönung der Spieldesignkunst überhaupt darstellt, weil es die besten Eigenschaften verschiedener Genres zu einem großen Gesamtkunstwerk verbindet – gewissermaßen das Birth of a Nation oder von mir aus auch Citizen Kane des Computerspiels.

Ich lernte noch einige andere Spiele kennen und lieben: Thief, Deus Ex, No One Lives Forever, Max Payne – alles Titel, die das an sich recht stupide Genre des (Ego-)Shooters intelligent variierten und mit neuen, originellen Ideen anreicherten.

(Obwohl Deus Ex eigentlch schon mehr RPG als Shooter ist.)

(Und obwohl diese sture Genre-Einteilung auf Deus Ex bezogen sowieso Unsinn ist.)

(Und obwohl Deus Ex eigentlich ein so singuläres Meisterwerk darstellt, dass man es sowieso kaum mit anderen Spielen vergleichen kann.)

(Ich mag Deus Ex.)

Die große Revolution in meiner Spielerkarriere kam aber erst Anfang 2005: Unser Haushalt bekam Internetzugang, und mir öffneten sich dadurch die Tore in die Welt von e-Bay, Amazon und sonstiger Dienste, wodurch ich unzählige neue Titel kennenlernte. Endlich konnte ich mich wirklich näher mit der Ultima-Reihe (Teil VII siehe oben rechts) und der Interactive Fiction-Szene (inklusive den legendären Infocom-Titeln) beschäftigten. Auch die AGS-Community schien mir wahnsinnig interessant. AGS (Adventure Game Studio) ist ein Programm zum Erstellen klassischer Point&Click-Adventures etwa im LucasArts- oder Sierra-Stil. Und teilweise entstanden und enstehen in dieser Community großartige Titel, die das Herz jedes Adventure-Freundes zum Hüpfen bringen. Wär vielleicht mal einen eigenen Post wert... Ich konsumierte aber nicht nur AGS-Titel sondern erfüllte mir auch den Traum, selbst ein, zwei kleine Adventures zu programmieren. Dasselbe habe ich auf Interactive Fiction bezogen vor (die BASIC-Textadventures gelten nicht, auch wenn eines davon sogar recht gut war), hier kam ich allerdings bis jetzt über ein sehr frühes Stadium der Konzeptionsphase nicht hinaus – aber spätestens wenn Inform 7 final geht, werd ich auch das anpacken.

Irgendwann muss Schluss sein, und bevor ich endgültig als Über-Nerd dastehe, beende ich diese Serie – die wichtigsten Stationen wurden gestreift. Wenn ich in die Zukunft des Mediums blicke, bin ich gespannt und frustriert zugleich. Wirklich spannende, innovative Titel wie Spore sind Mangelware – die Spielemagazine berichten hingegen aufgeregt über inhaltsleere Technikprotzereien wie Crysis oder biedere Schlaftabletten-Adventures wie Runaway 2. Aber ich bezweifle trotzdem nicht, dass noch sehr aufregende Zeiten auf uns Spieler warten und freue mich schon darauf, vielleicht mitzuerleben, wie das Medium langsam seinen Kinderschuhen entwächst.

Keine Kommentare: