Dienstag, November 28, 2006

Casino Royale


Auf den ersten Blick mag es seltsam anmuten, dass ich mich so auf diesen Film gefreut habe, finde ich die James Bond-Filme doch größtenteils langweilig. Aber diesmal ist es anders: In Casino Royale versprach man mir einen James Bond mit Persönlichkeit, wie in der Buchvorlage! Der auch mal nachdenkt über das was er tut. Der nicht allem gleichgültig gegenübersteht. Der auch mal zweifelt. Der auch mal verliert. Und der nicht im nächsten Film alles wieder vergessen hat, was er erlebt hat. Ich spreche nicht von tiefsinniger Charakterzeichnung, nur von ein paar kleinen Ecken und Kanten. Wie dankbar war ich jedesmal in einem Bond-Film, wenn man mir nur den Bruchteil einer Sekunde das Gefühl gab, dass dieser Typ im Smoking mit der Knarre ansatzweise sowas wie ein Mensch ist! Und tatsächlich: Casino Royale bietet mir diese Momente in durchaus zufriedenstellender Anzahl (zuviel soll es ja dann doch nicht sein). Endlich gibt man mir das Gefühl, dass das, was geschieht, Relevanz für die Serie und die Figur hat. Auch für die meisten anderen Bereiche gilt: Casino Royale ist die Summe einer Menge richtiger Entscheidungen.

Eine davon heißt Daniel Craig. Am Anfang gehasst, weil jeder Clive Owen wollte (den ich mir in der Tat genauso gut in dem Film hätte vorstellen können) und der gute Craig einen offensichtlich echt beschissenen ersten Presseauftritt hingelegt hat, jetzt geliebt, weil die Leute den fertigen Film gesehen haben und sich währenddessen keine Sekunde lang Pierce Brosnan vorstellen wollten. Auch mir fällt nichts ein, was man an Craig aussetzen könnte. Er spielt gut, sieht gut aus, kann ordentlich austeilen und genauso gründlich einstecken. Guter Mann.

Eine weitere richtige Entscheidung liegt im Plot: Man rebootet die Serie und erzählt Bonds erstes Abenteuer als Doppelnullagent - als Vorlage nimmt man einfach den ersten Ian Fleming-Roman. Das hat den schönen Effekt, dass man Bonds Charakter, seinen Gewohnheiten und Vorlieben auf die Spur kommen kann, ihn also in einem Stadium erlebt, in dem er sich quasi gerade erst entwickelt. Was weggelassen wurde ist der ganze futuristischen Schnickschnack, von giftigen Kugelschreibern bis zu unsichtbaren Autos - Bond soll den Bösen einfach in guter alter Manier die Fresse polieren oder ihnen ein paar Kugeln um die Ohren jagen. Oder sie einfach beim Pokerspielen abzocken. Bond im Edel-Casino am Spieltisch - das ist wunderbar, das ist ikonisch, das wollen wir sehen.

Was wir noch sehen wollen, das sind Bond-Girls. Der Feminismus kann sie uns nicht wegnehmen. Das einzige, was er ihnen anhaben konnte, ist, dass sie jetzt pro Film mindestens zehnmal betonen müssen, wie tough und klug sie nicht sind. Aber damit können wir leben, einen Unterschied macht es ja in der Praxis nicht wirklich. Diesmal dürfen Caterina Murino und Eva Green ran und beide enttäuschen nicht. Schön, sexy, teure Kleider. Passt! Genauso wichtig ist der Bösewicht. Mads Mikkelsen alias Le Chiffre hat leider nicht viel Platz, um sich zu entfalten. Aber er hat immerhin ein markantes Gesicht, macht am Spieltisch dauernd so einen lustigen Trick mit seinen Chips und... weint Blut! Cool.

Eines der furchtbarsten Dinge am letzten Bond-Film Die Another Day war der unerträgliche Titelsong der unerträglichen Madonna. Zum Glück scheint es sich dabei nur um einen Ausrutscher gehandelt zu haben. Chris Cornells You Know My Name mag kein Jahrtausend-Song sein, aber er gibt dem Franchise zumindest etwas Würde zurück. Gitarren und Bläser - nennt mich reaktionär, aber so soll es sein.

Und nun zum letzten wichtigen Punkt bei Bond-Filmen: die Action. Über sie muss man nicht viele Worte verlieren: Spektakulär wie immer, gehobener Hollywood-Standard halt, genau was man erwartet. Die superakrobatische, Tomb Raider-artige Jump-and-Run-Sequenz gegen Anfang wirkt vielleicht etwas seltsam, und auf originelle Einfälle wird man auch nicht unbedingt haufenweise stoßen, aber alles in allem wüsste ich nicht, was man da groß meckern sollte. Wenn sich Bonds Aston Martin schätzungsweise achtzigmal überschlägt, dann denke ich nicht darüber nach, wie realistisch das ist und welchen Zweck es für die Handlung hat, sondern ich lehne mich zurück und genieße die herrliche, sinnlose Zerstörungswut. Immerhin bewegt sich die Action zumeist im halbwegs stilvollen Rahmen, zumindest im Vergleich zu anderen Action-Blockbustern. Also schön altmodisch, ohne CGI-Overload und aufgesetzten Bullet-Time-Sequenzen.

Um zum Abschluss noch was Negatives zu bemerken: Eine Sache hat aber doch ziemlich genervt. Ich will's mal so ausdrücken: Wenn ich jedes Mal fünfzig Cent bekommen hätte, wenn auf der Leinwand das SONY-Logo erscheint, wäre ich jetzt ein sehr, sehr reicher Mann. Ich habe nicht grundsätzlich etwas gegen Product Placement, es kann durchaus ein realistisches Flair erzeugen, aber wenn man es dermaßen übertreibt, wird es lächerlich. Man glaubt ja schon, der Film handelt von einem totalitären SONY-Terrorregime. Aber wie schrieb ich schon letztens an anderer Stelle: Sich über penetrante Werbung zu beschweren ist heutzutage halt ein bisschen wie sich über das Wetter zu beschweren.

Fazit: Wahrscheinlich der beste Bond-Film, den ich bis jetzt gesehen habe. Grundsolide Unterhaltung mit Stil, Schauwerten, einem markanten Hauptdarsteller und ohne große Ausrutscher. Und sowieso besser als die bizarr-groteske Casino Royale-Verfilmung von 1967.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

ich hasse product-placement auch. aber bei Bond-Filmen lass ich es mir noch am ehesten einreden. da werden auch extra spots für die Uhren etc. gedreht, das ist einfach so ein ereignis. und im übrigen stehen die logos auf den produkten halt drauf, also wenn man das handy ins bild bekommt, liest man zwangsweise von wem es ist. klar, man könnte eine fantasie-marke erfinden oder auf jegliches logo verzichten... aber so funktioniert das halt auch nicht *seufz*