Donnerstag, August 07, 2008

The Dark Knight


Auf der sehr empfehlenswerten Comedy-Seite www.thatguywiththeglasses.com gibt es eine Videoreihe namens Bum Reviews, in der der Protagonist - ein verrückter Obdachloser - jede einzelne seiner Filmkritiken mit den Worten eröffnet: "OH MY GOD, THIS IS THE GREATEST MOVIE I'VE EVER SEEN IN MY LIFE!!!" Was normalerweise als Satire auf die YouTube-Generation durchgeht, schien nach dem US-Release von Christopher Nolans neuem Batman-Film The Dark Knight von der Realität überflügelt worden zu sein. Das ganze Internet hatte sich ein einziges großes Bum Review verwandelt. Was mich betrifft, war es der bei weitem größte Internet-Hype, den ich je einen Film betreffend erlebt hatte. Von der Videospielkultur war ich das gewohnt, da passiert derartiges alle paar Wochen. Aber bei Filmen trifft man normalerweise auf eine deutlich gemischtere Rezeption. Nicht so bei The Dark Knight: Nahezu ausschließlich überschwängliches Kritikerlob und religiöse Verehrung von Seiten des Publikums machten aus dem Film ein regelrechtes Phänomen.

Diese Umstände erschwerten mir eine Beurteilung des Films ungemein. Denn ich nahm den Hype beim Wort und betrat den Kinosaal nicht mit dem direkten Vorgänger Batman Begins oder anderen Comicverfilmungen der jüngeren Zeit wie Iron Man im Hinterkopf, sondern mit Heat und The Godfather, Part II, wie man es mir tausende Male vorgekaut hatte. An Ende stellte ich jedoch fest, dass ich da etwas zu hoch gegriffen hatte. Rein filmsprachlich ist der Film nun einmal keine Revolution, liebe Fanboys, so schwer das auch zu akzeptieren ist. Und bevor jemand mit IMAX kommt: Ja, ich habe den Film auf einer gewöhnlichen, altmodischen Leinwand gesehen, aber das tut nichts zur Sache: 20 Minuten IMAX-Spielereien gelten nicht als großes Kino, sorry. Vielmehr habe ich den Verdacht, dass die überwältigend große IMAX-Leinwand sich negativ auf die Urteilskraft so manches Kritikers ausgewirkt hat. Boooaaaaah. Groooooß.

Nachdem das klargestellt ist: The Dark Knight ist nichtsdestotrotz ein toller Film, auf den das Klischee des lustig-bunten Popcorn-Sommerblockbusters, bei dem man sein Gehirn an der Kasse abgibt, so gar nicht zutreffen will. Nolans Stärke lag eben noch nie in subtiler Filmsprache, sondern in dichten, wendungsreichen Plots und psychologisch ausgefeilten Charakterzeichnungen, was er hier einmal mehr beweist. Und einige kreative Entscheidungen sind zumindest interessant, so zum Beispiel die visuelle Darstellung von Gotham City: Trotz der Tatsache, dass wir es mit der bis dato düstersten Batman-Verfilmung zu tun haben, bekommen wir diesmal anstelle des expressionistischen Labyrinths aus den Vorgängerfilmen eine ganz und gar realistisch, alltäglich und geräumig wirkende amerikanische Großstadt als Schauplatz geboten (in der Tat ist es Chicago), in der sogar die Sonne scheinen darf. Und selbst wenn eine Szene innerhalb von vier Wänden stattfindet, bieten uns oft große Glasfenster einen geradezu freundlichen Blick auf Gotham.

Die Art der Inszenierung verankert The Dark Knight stärker noch als seinen Vorgänger in der realen Welt, nicht in einem stilisierten Comic-Universum. Christopher Nolan geht damit ein erhebliches Risiko ein, denn Plot und Charakterzeichnung werden in solch einem Rahmen ganz anders gemessen. Und damit sind wir auch schon bei einem Problem. Der Plot ist nämlich dermaßen wendungsreich und komplex, dass der Film ganz einfach überladen wirkt. Eigentlich hätte der Stoff für zwei Filme gereicht, und vielleicht wäre das sogar besser gewesen (etwa nach der Hälfte seiner Laufzeit weist der Film eine klar erkennbare Zäsur auf). Das Tempo ist an vielen Stellen zu hoch, was dazu führt, dass Plot-Holes mitunter wie Pilze aus dem Boden schießen und manche Entwicklungen gehetzt wirken. Man spürt einfach die Schere des Cutters und den kalten Schweiß der um die Laufzeit besorgten Studiobosse. Ein Director's Cut auf DVD könnte da womöglich noch einiges nachbessern.

Abgesehen vom puren Plot verfügt The Dark Knight außerdem über einen erstaunlich expliziten und dichten politischen Subtext. Klar, 300 oder Iron Man konnte man auch dahingehend analysieren, aber hier wird es einem dermaßen aufs Aug gedrückt, dass das Umschalten in den "No politics, just entertainment"-Modus einfach nicht funktioniert. Ich habe relativ viel darüber nachgedacht und verschiedenste Meinungen darüber gelesen, und glaube inzwischen, dass der Film vielschichtig genug ist, um mehrere, auch komplett gegensätzliche Interpretationen zuzulassen und zu interessanten Diskussionen anzuregen. Und dass das auch die Absicht war. Aber ich will gar nicht zu viel über diesen Aspekt sprechen; hier soll jeder seine eigenen Schlüsse ziehen.

Was dem Film auf alle Fälle stets gelingt: Er reißt mit, er fasziniert, er fesselt und bewegt. Langweilig ist es nie, keine Sekunde lang. Die Actionsequenzen sind packend inszeniert und gehen herrlich sparsam mit CGI um. Wenn sich ein LKW überschlägt oder ein Hubschrauber in ein Gebäude donnert, dann sieht das nicht wie ein billiger Computertrick aus, sondern hat eine physikalische Qualität. Die Höhepunkte des Films jedoch liegen gar nicht in diesen Sequenzen, sondern sind den Schauspielern zu verdanken.

Was soll ich noch groß über Heath Ledger sagen? Ich wurde bereits mit dem ersten Trailer, in dem er als Joker zu sehen war, vom Skeptiker zum "Oscar!"-Schreier. Einfach unglaublich, wie er vollkommen hinter der Rolle verschwindet. Aber auch sonst zeigt sich wie schon in "Batman Begins", dass sich ein Ensemble aus A-Klasse-Darstellern auch in dieser Art von Film einfach auszahlt. Christian Bale, Michael Caine und Morgan Freeman kehren in ihre Rollen als Bruce Wayne, Alfred Pennyworth und Lucius Fox zurück, und auch Cillian Murphy als Jonathan Crane/Scarecrow hat einen leider viel zu kurzen, aber feinen Gastauftritt. Gary Oldman bekommt diesmal glücklicherweise mehr Gelegenheiten, sein Können zu zeigen und legt als Jim Gordon eine der besten Leistungen im Film vor. Die Figur der Rachel Dawes wird diesmal nicht mehr von Katie Holmes, sondern von Maggie Gyllenhaal verkörpert, was klar eine Verbesserung darstellt. Und dann haben wir natürlich noch Aaron Eckhart als Harvey Dent.

Harvey Dent ist die tragischste Figur im Film, und seine Entwicklung hat mich mindestens ebenso fasziniert wie der anarchische Wahnsinn des Jokers. Nolan ist nicht so dumm, ihn im Laufe eines Films vom perfekten Strahlemann zum Superschurken zu verwandeln. In gewissem Sinne ist Dent von Anfang an Two Face, und ein Teil von ihm wartet nur darauf, völlig in dieser Rolle aufzugehen; sogar den Namen bekommt er bereits verpasst bevor der Film überhaupt begonnen hat. Das macht seine Wandlung glaubwürdig, auch wenn sie relativ schnell geschieht. Was natürlich auch an Aaron Eckhart liegt, der neben Heath Ledger und Gary Oldman die beeindruckendste Performance im Film bietet. Großartig auch die visuelle Umsetzung von Two Face - Gänsehaut beim ersten Anblick garantiert.

Batman Begins war ein Film, der sehr auf Nummer Sicher spielte. Das Drehbuch war eng wie ein Korsett und extrem schematisch, wodurch er sehr elegant und geschlossen wirkte, und im Mittelpunkt stand vor allem ein Mann (Bruce Wayne). The Dark Knight ist ambitionierter und gewagter, will am liebsten alles zugleich sein: Tragödie, Kriminal-Epos, Reflexion über Moral und gesellschaftliche Mechanismen, und das alles im Gewand eines Sommer-Blockbusters. Dadurch wirkt der Film stellenweise hektisch und überladen - vor allem aufgrund der Neigung, seine Themen durch von den Figuren dargebrachte Stehsätze auszudrücken anstatt durch filmsprachliche Mittel.

Allen Mängeln zum Trotz ist The Dark Knight aber äußerst lohnend und auch bis dato die Batman-Verfilmung, die der Essenz des Stoffs in meinen Augen am nächsten kommt. Als puren Film halte ich allerdings immer noch Tim Burtons Batman Returns für das Meisterwerk der Serie.

3 Kommentare:

hat gesagt…

Aus Angst vor Spoilern hab ich über einen Monat lang Dein Blog absichtlich nicht mehr besucht. Erst gestern hab ichs geschafft mich ins Haydn zu bringen und mir diesen Film anzusehen.
1. Effekt: Wahn. Sinn. Ich glaube das Lucius Fox' Wink mit dem Zaunpfahl beim Besprechen der neuen Rüstung uns schon auf die erhöhte Felinität des kommenden Filmes hinzuweisen versuchte - und auch darauf freue ich mich schon.

Ich find es gut, was Nolan aus Batman macht.
2. Effekt: fällt das nur mir auf, dass, je besser die Soundsysteme in den Kinos werden, um so langweiliger und basslastiger die Soundtracks in den Filmen werden?
Abgesehen von Klaus Badelts Ohrwürmern aus Pirates - welcher Kinofilm der letzten paar Jahre hatte eigentlich ein ordentliches Thema, das auch ohne den Film gut klingt und vielleicht sogar noch nachpfeifbar ist?
Aber ich muss schon zugeben, me likes "DROOOOOOOOOOOOOHN - DRÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖHN".

3. Effekt:
Ich geb Dir in allen Punkten recht. Ich fands schade dass Dent nicht mehr Zeit hatte sich zu entwickeln - bzw seine Entwicklung zu verändern. Dass ein 2 minütiger Monolog einen Helden zum Hitler werden lässt, hab ich noch nie verstanden. Kommt wahrscheinlich drauf an wer spricht. Nagut, wenn ich manchen Menschen länger als 2 Minuten zuhöre, spür ich auch oft das Verlangen Rohrbomben zu basteln in mir kribbeln. Scarecrow fand ich verheizt.
Meine Vermutung ist, dass Twoface vielleicht noch mehr Zeit hätte haben können dürfen sollen, aber Ledgers unerwarteter Ausstieg aus der Lebensbranche da die Dreharbeiten boykottiert hat, und man sich ein peinliches Herumgeschnipsel a la "The Crow" ersparen wollte - außerdem - wenn Joker erst verhaftet ist, wäre die Zeit zum Showdown vielleicht zu schwer zu füllen gewesen.
Ledger, übrigens, hatte mit diesem Film meiner Meinung nach zum ersten Mal die Chance zu zeigen, dass er nicht nur in Schrott wie Knight's Tale, sondern auch in echten Filmen gut spielen kann, und wirklich ein guter Schauspieler ist. Erst jetzt kann ich ihm so wirklich nachtrauern.
Als letztes noch: Ich find es schön, dass Nolan sich nicht in den Möglichkeiten der CG verliert. Allein dass da wirklich in Hong Kong gedreht wurde, ist in Zeiten von ILM schon beinahe dekadent. Gut so.

Dixi.

Perry Simm hat gesagt…

Ich versuche generell nicht zu spoilern, zumindest nach meinem Verständnis davon (es gibt ja auch Leute, die "Harvey Dent wird Two Face" für einen Spoiler halten).

ad 1) Ich glaube nicht, dass es darauf angespielt hat - was aber natürlich nicht heißen muss, dass es im nächsten Film keine Catwoman gibt. Hauptsache es wird nicht wirklich Cher.

ad 2) Ja, mit gehts ähnlich mit dem Soundtrack. Er größtenteils ist 08/15-Hans Zimmer-Gedöns, aber er funktioniert (und rockt). Und immerhin hat er stellenweise Musik eingesetzt, wie ich es selten in einem Mainstream-Film sehe: Dieser lange, schneidende Ton, jedesmal kurz bevor der Joker die Szene betritt - ein schönes Mittel um Spannung zu erzeugen. Ein waschechtes Ohrwurm-Batman-Thema wie etwa das von Danny Elfman gibt es in den Nolan-Filmen absichtlich nicht, weil das nicht so recht zum erdigen, "realistischen" Ansatz der Filme passen würde.

ad 3) Angeblich waren alle von Ledgers Szenen schon im Kasten als er das Zeitliche gesegnet hat. Ich glaube es lag einfach an der Lauflänge. Wo sind die Zeiten hin, als Filme auch mal über drei Stunden dauern durften? Michael Corleone durfte es da um einiges gemächlicher angehen als Harvey Dent mit der Werdung vom (scheinbaren) Strahlemann zum Superschurken.

Dass Ledger gut war, konnte man auch vorher schon sehen, Stichwort "Brokeback Mountain". Aber klar, mit dem Joker hat er sich noch mal eine Liga weiter rauf gespielt. Ich finde seinen Tod auf jeden Fal verdammt schade.

Und "A Knight's Tale" war geil, fuck you.

Anonym hat gesagt…

Eine Anmerkung zum Soundtrack:
Was wirklich sehr auffällig war, dass während der "Harvey Dent"-Verfolgungsjagd garkeine Musik zu hören war (mit Ausnahme des ersten Auftritts des "Fledermausmann-Motorrades"). Das hat mich persönlich atmosphärisch richtig auf den Boden gedrückt (im positiven Sinne).
Anstatt Hero- und Suspense-Theme einfach nur eine bedrückende Stille.
Das fand ich genial.