Dienstag, August 19, 2008

Der große Japaner - Dainipponjin


Superhelden-Filme befinden sich momentan wohl auf dem Höhepunkt ihrer Popularität. Das merkt man nicht zuletzt daran, dass das Genre in letzter Zeit immer häufiger parodiert wird: Sei es in Superhero Movie, Hancock oder eben Der große Japaner, dem Debütfilm des japanischen Medienstars Hitoshi Matsumoto. Auch wenn der Film stärker in der japanischen Tradition von Ultraman und den Godzilla-Filmen verankert ist als in der uns vertrauteren Comicwelt der Helden von Marvel und DC, eröffnet er doch erfrischende Perspektiven auf das Superhelden-Dasein im Allgemeinen.

Der große Japaner beginnt dabei alles andere als spektakulär: Im Stil eines Dokumentarfilms wird uns der Alltag eines Mannes namens Daisato nähergebracht. Auf den ersten Blick ist er nicht besonders interessant. Er mag aufklappbare Regenschirme und Seegras, lebt von Frau und Tochter getrennt in einem ziemlich heruntergekommenen Haus und würde in seinem Job gerne ein bisschen mehr verdienen. Irgendwann läutet aber schießlich sein Mobiltelefon und wir erleben, um was für einen Job es sich handelt:

Sobald irgendwo in Japan eine Stadt von einem Riesenmonster angegriffen wird (was nun einmal immer wieder vorkommt), macht sich Daisato auf zu einer "Transformationsstation", wo er unter Strom gesetzt wird und sich dadurch in einen überdimensionalen Sumo-Ringer verwandelt. Er bekämpft das jeweilige Monster und schrumpft nach einiger Zeit wieder auf Normalgröße zurück, um auf seinen nächsten Einsatz zu warten.

Was nach einer Gelegenheit für heldenhafte Abenteuer klingt, ist in diesem Film weder glamourös noch besonders aufregend. Für Daisato ist es schlicht ein Job, den er macht, weil ihn sein Vater und sein Großvater auch schon gemacht haben und er nichts anderes gelernt hat. Es ist nicht einmal ein besonders dankbarer Job. Zwar werden Daisatos Kämpfe im Fernsehen übertragen (weshalb er seinen Körper mit allerhand Sponsorenlogos "schmücken" muss), das Interesse ist inzwischen allerdings so sehr gesunken, dass die Sendezeit auf nach Mitternacht verlegt wurde. Zudem hat die japanische Bevölkerung schon seit langem wirklich die Schnauze voll von dem ewigen Explosionslärm.

Wir sehen, mit welcher Art Humor wir es hier zu tun haben. Wie etwa auch viele Filme Takeshi Kitanos verfügt Der große Japaner über diese ganz spezielle Mischung aus Trockenheit, Melancholie, menschlicher Wärme und Sozialkritik. Die alltäglichen Mockumentary-Sequenzen wechseln sich dabei ab mit einigen der wohl skurrilsten Kampfszenen, die wir je im Kino erleben durften. Natürlich kann das CGI, das dabei zur Verwendung kommt, nicht ganz mit dem großer Hollywood-Produktionen mithalten, aber das wird mehr als ausgeglichen durch die absolut brillianten Monster-Designs, die allesamt Dalí-Gemälden entsprungen sein könnten.

Dem Film gelingt es aber nicht nur, stellenweise unheimlich witzig zu sein, sondern sich auch einem recht breiten Spektrum an Themen zu nähern, darunter Entfremdung, Kommerzialisierung, staatliche Kontrolle oder das Verhältnis Japan-USA. Die Behauptung, dass man mit Matsumotos Werk nur etwas anfangen kann, wenn man mit dem japanischen Monsterfilm vertraut ist, kann ich also nicht nachvollziehen. So eindimensional ist Der große Japaner nicht. Einzig die Finalsequenz dürfte wohl so manchen westlichen Zuschauer etwas ratlos zurücklassen.

Ach, eine Sache noch: Dass man den englischsprachigen Trailer nicht mit Big In Japan von Tom Waits unterlegt hat, werde ich nie verzeihen. Niemals.

Donnerstag, August 07, 2008

The Dark Knight


Auf der sehr empfehlenswerten Comedy-Seite www.thatguywiththeglasses.com gibt es eine Videoreihe namens Bum Reviews, in der der Protagonist - ein verrückter Obdachloser - jede einzelne seiner Filmkritiken mit den Worten eröffnet: "OH MY GOD, THIS IS THE GREATEST MOVIE I'VE EVER SEEN IN MY LIFE!!!" Was normalerweise als Satire auf die YouTube-Generation durchgeht, schien nach dem US-Release von Christopher Nolans neuem Batman-Film The Dark Knight von der Realität überflügelt worden zu sein. Das ganze Internet hatte sich ein einziges großes Bum Review verwandelt. Was mich betrifft, war es der bei weitem größte Internet-Hype, den ich je einen Film betreffend erlebt hatte. Von der Videospielkultur war ich das gewohnt, da passiert derartiges alle paar Wochen. Aber bei Filmen trifft man normalerweise auf eine deutlich gemischtere Rezeption. Nicht so bei The Dark Knight: Nahezu ausschließlich überschwängliches Kritikerlob und religiöse Verehrung von Seiten des Publikums machten aus dem Film ein regelrechtes Phänomen.

Diese Umstände erschwerten mir eine Beurteilung des Films ungemein. Denn ich nahm den Hype beim Wort und betrat den Kinosaal nicht mit dem direkten Vorgänger Batman Begins oder anderen Comicverfilmungen der jüngeren Zeit wie Iron Man im Hinterkopf, sondern mit Heat und The Godfather, Part II, wie man es mir tausende Male vorgekaut hatte. An Ende stellte ich jedoch fest, dass ich da etwas zu hoch gegriffen hatte. Rein filmsprachlich ist der Film nun einmal keine Revolution, liebe Fanboys, so schwer das auch zu akzeptieren ist. Und bevor jemand mit IMAX kommt: Ja, ich habe den Film auf einer gewöhnlichen, altmodischen Leinwand gesehen, aber das tut nichts zur Sache: 20 Minuten IMAX-Spielereien gelten nicht als großes Kino, sorry. Vielmehr habe ich den Verdacht, dass die überwältigend große IMAX-Leinwand sich negativ auf die Urteilskraft so manches Kritikers ausgewirkt hat. Boooaaaaah. Groooooß.

Nachdem das klargestellt ist: The Dark Knight ist nichtsdestotrotz ein toller Film, auf den das Klischee des lustig-bunten Popcorn-Sommerblockbusters, bei dem man sein Gehirn an der Kasse abgibt, so gar nicht zutreffen will. Nolans Stärke lag eben noch nie in subtiler Filmsprache, sondern in dichten, wendungsreichen Plots und psychologisch ausgefeilten Charakterzeichnungen, was er hier einmal mehr beweist. Und einige kreative Entscheidungen sind zumindest interessant, so zum Beispiel die visuelle Darstellung von Gotham City: Trotz der Tatsache, dass wir es mit der bis dato düstersten Batman-Verfilmung zu tun haben, bekommen wir diesmal anstelle des expressionistischen Labyrinths aus den Vorgängerfilmen eine ganz und gar realistisch, alltäglich und geräumig wirkende amerikanische Großstadt als Schauplatz geboten (in der Tat ist es Chicago), in der sogar die Sonne scheinen darf. Und selbst wenn eine Szene innerhalb von vier Wänden stattfindet, bieten uns oft große Glasfenster einen geradezu freundlichen Blick auf Gotham.

Die Art der Inszenierung verankert The Dark Knight stärker noch als seinen Vorgänger in der realen Welt, nicht in einem stilisierten Comic-Universum. Christopher Nolan geht damit ein erhebliches Risiko ein, denn Plot und Charakterzeichnung werden in solch einem Rahmen ganz anders gemessen. Und damit sind wir auch schon bei einem Problem. Der Plot ist nämlich dermaßen wendungsreich und komplex, dass der Film ganz einfach überladen wirkt. Eigentlich hätte der Stoff für zwei Filme gereicht, und vielleicht wäre das sogar besser gewesen (etwa nach der Hälfte seiner Laufzeit weist der Film eine klar erkennbare Zäsur auf). Das Tempo ist an vielen Stellen zu hoch, was dazu führt, dass Plot-Holes mitunter wie Pilze aus dem Boden schießen und manche Entwicklungen gehetzt wirken. Man spürt einfach die Schere des Cutters und den kalten Schweiß der um die Laufzeit besorgten Studiobosse. Ein Director's Cut auf DVD könnte da womöglich noch einiges nachbessern.

Abgesehen vom puren Plot verfügt The Dark Knight außerdem über einen erstaunlich expliziten und dichten politischen Subtext. Klar, 300 oder Iron Man konnte man auch dahingehend analysieren, aber hier wird es einem dermaßen aufs Aug gedrückt, dass das Umschalten in den "No politics, just entertainment"-Modus einfach nicht funktioniert. Ich habe relativ viel darüber nachgedacht und verschiedenste Meinungen darüber gelesen, und glaube inzwischen, dass der Film vielschichtig genug ist, um mehrere, auch komplett gegensätzliche Interpretationen zuzulassen und zu interessanten Diskussionen anzuregen. Und dass das auch die Absicht war. Aber ich will gar nicht zu viel über diesen Aspekt sprechen; hier soll jeder seine eigenen Schlüsse ziehen.

Was dem Film auf alle Fälle stets gelingt: Er reißt mit, er fasziniert, er fesselt und bewegt. Langweilig ist es nie, keine Sekunde lang. Die Actionsequenzen sind packend inszeniert und gehen herrlich sparsam mit CGI um. Wenn sich ein LKW überschlägt oder ein Hubschrauber in ein Gebäude donnert, dann sieht das nicht wie ein billiger Computertrick aus, sondern hat eine physikalische Qualität. Die Höhepunkte des Films jedoch liegen gar nicht in diesen Sequenzen, sondern sind den Schauspielern zu verdanken.

Was soll ich noch groß über Heath Ledger sagen? Ich wurde bereits mit dem ersten Trailer, in dem er als Joker zu sehen war, vom Skeptiker zum "Oscar!"-Schreier. Einfach unglaublich, wie er vollkommen hinter der Rolle verschwindet. Aber auch sonst zeigt sich wie schon in "Batman Begins", dass sich ein Ensemble aus A-Klasse-Darstellern auch in dieser Art von Film einfach auszahlt. Christian Bale, Michael Caine und Morgan Freeman kehren in ihre Rollen als Bruce Wayne, Alfred Pennyworth und Lucius Fox zurück, und auch Cillian Murphy als Jonathan Crane/Scarecrow hat einen leider viel zu kurzen, aber feinen Gastauftritt. Gary Oldman bekommt diesmal glücklicherweise mehr Gelegenheiten, sein Können zu zeigen und legt als Jim Gordon eine der besten Leistungen im Film vor. Die Figur der Rachel Dawes wird diesmal nicht mehr von Katie Holmes, sondern von Maggie Gyllenhaal verkörpert, was klar eine Verbesserung darstellt. Und dann haben wir natürlich noch Aaron Eckhart als Harvey Dent.

Harvey Dent ist die tragischste Figur im Film, und seine Entwicklung hat mich mindestens ebenso fasziniert wie der anarchische Wahnsinn des Jokers. Nolan ist nicht so dumm, ihn im Laufe eines Films vom perfekten Strahlemann zum Superschurken zu verwandeln. In gewissem Sinne ist Dent von Anfang an Two Face, und ein Teil von ihm wartet nur darauf, völlig in dieser Rolle aufzugehen; sogar den Namen bekommt er bereits verpasst bevor der Film überhaupt begonnen hat. Das macht seine Wandlung glaubwürdig, auch wenn sie relativ schnell geschieht. Was natürlich auch an Aaron Eckhart liegt, der neben Heath Ledger und Gary Oldman die beeindruckendste Performance im Film bietet. Großartig auch die visuelle Umsetzung von Two Face - Gänsehaut beim ersten Anblick garantiert.

Batman Begins war ein Film, der sehr auf Nummer Sicher spielte. Das Drehbuch war eng wie ein Korsett und extrem schematisch, wodurch er sehr elegant und geschlossen wirkte, und im Mittelpunkt stand vor allem ein Mann (Bruce Wayne). The Dark Knight ist ambitionierter und gewagter, will am liebsten alles zugleich sein: Tragödie, Kriminal-Epos, Reflexion über Moral und gesellschaftliche Mechanismen, und das alles im Gewand eines Sommer-Blockbusters. Dadurch wirkt der Film stellenweise hektisch und überladen - vor allem aufgrund der Neigung, seine Themen durch von den Figuren dargebrachte Stehsätze auszudrücken anstatt durch filmsprachliche Mittel.

Allen Mängeln zum Trotz ist The Dark Knight aber äußerst lohnend und auch bis dato die Batman-Verfilmung, die der Essenz des Stoffs in meinen Augen am nächsten kommt. Als puren Film halte ich allerdings immer noch Tim Burtons Batman Returns für das Meisterwerk der Serie.